Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
höheren und höchsten Beamten des Großen Ernährungshauses oder mit durchreisenden Würdenträgern der beiden Länder oder mit Kömmlingen und Bevollmächtigten des Auslandes; und eine solche Mittagsmahlzeit beim Freunde der Ernte Gottes war diese hier – will sagen: von außen gesehen; denn welche bewegten Bewandtnisse es mit ihr hatte, wie sie sich in den Rahmen einer wunderbaren Fest- und Gottesgeschichte fügte, und warum der hohe Gastgeber so ansteckend lustig dabei war, das blieb den Teilnehmern allen vorerst verhüllt.
Allen. Soll das umfassende Wort stehen und seinen Platz behaupten? Mai-Sachme, der, gedrungen und mit emporgezogenen Brauen, in der offenen Seite des Triangels stand und mit einem weißen Stabe die herumflitzenden Schenken und Dapiferen dahin und dorthin wies, wäre auszunehmen gewesen. Er wußte Bescheid, aber er war kein Teilnehmer. War unter den Tafelnden Einer, für den die Verhüllung eine gewisse – halbe, ängstliche, wonnige, ungeheuerliche, uneingestandene Durchlässigkeit hatte? Man merkt schon, daß wir bei dieser vorsichtigen Frage, die am besten wohl eine Frage bleibt, Turturra-Benoni, den Jüngsten zur Linken des Wirtes, im Auge haben. Wie ihm zu Mute war, ist unbeschreiblich. Es ist nie beschrieben worden, und diese Erzählung unterwindet sich auch nicht des nie Versuchten, nämlich eine Ahnung und die sie begleitenden süßen Schreckensgefühle in Worte zu fassen, die sich noch längst nicht getraute, auch nur Ahnung zu sein, sondern sich lediglich bis zur Verzeichnung leiser und traumhafter Anwandlungen von Erinnerung, seltsamer Gemahnung, nur bis zur herzbebenden Wahrnehmung von Verwandtschaften zwischen zwei ganz verschiedenen und weit auseinanderstehenden Erscheinungen, einer seit Kindheitstagen versunkenen und einer gegenwärtigen, vorwagte. Denkt nur, wie es war:
Man saß auf bequemen Schemelstühlen, eine Tischplatte schräg vor sich, die mit Kost, Beikost und Schau-Erfreulichkeiten, Obst, Kuchen, Gemüse, Pasteten, Gurken und Kürbissen, Füllhörnern mit Blumen und Zuckerwerk hoch-heiter beladen war, zu seiner anderen Seite ein zierliches Waschgeschirr, einen hübschen Amphorenständer und ein kupfernes Becken zum Wegwerfen des Abgespeisten. So hatte es jeder. Schurzdiener füllten, unter Sonder-Aufsicht des Küfers, die Becher nach; andere empfingen vom Vorsteher des Anrichte-Tisches die Hauptgerichte, Kälbernes, Schöpsernes, Backfische, Geflügel, Wildbret, und lieferten es in die Hände der Gäste, die aber, bei des Gastgebers hohem Range, dabei nicht den Vorzug vor diesem hatten. Vielmehr erhielt der Adôn nicht nur von allem zuerst, sondern auch das Beste und viel mehr, als jene, – freilich nur zu dem Zwecke, daß er davon austeilte und, wie geschrieben steht, den anderen »Essen vorgetragen wurde von seinem Tisch«. Will sagen: er schickte, nebst seinen besten Grüßen, bald diesem, bald jenem, jetzt einem Ägypter und jetzt einem der Fremden eine Rost-Ente, ein Quittengelee oder einen vergoldeten Knochen, der mit lekkeren Ringen aus Schmalzgebackenem besteckt war; dem jüngsten Asiaten aber, seinem Nachbar zur Linken, gab er selbst von dem Seinen, einmal über’s andere; und da diese Gunstbezeugungen viel besagten und von den Ägyptern überwacht und gezählt wurden, so rechneten sie einander vor und sprachen es später herum, sodaß es auf uns gekommen ist: daß der kleine Beduine tatsächlich fünfmal soviel, wie jeder andere, bekommen habe vom Tisch des Herrn.
Benjamin war beschämt, bat abzustehen von diesen Gaben und sah sich entschuldigend unter den Ägyptern sowohl wie unter seinen Brüdern um. Er hätte nicht so viel essen können, wie er erhielt, auch wenn überhaupt der Sinn ihm nach Essen gestanden hätte, – ein benommener und beklommener Sinn, der suchte, fand, verlor, und plötzlich so unleugbar wiederfand, daß ihm das Herz in spitzen, geschwinden Schlägen ging. Er blickte in das vom Barte freie, von hieratischer Flügelhaube eingerahmte Gesicht des Gastgebers, der ihn als Gewährsmann gefordert, dieses ägyptischen Großen von schon etwas schwerer Gestalt im weißen Gewand mit dem flimmernden Brustbehang; blickte auf diesen lächelnd im Gespräche so und so sich regenden Mund, in diese schwarzen Augen, die in scherzendem Glanz den seinen begegneten und sich, wie im Rückzuge, ernsthaft-verwehrend, zuweilen schlossen, gerade immer, wenn seine eigenen sich ungläubig-freudig und schreckhaft erweiterten; auf die Gliederung dieser Hand im
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