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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Willst du Zeichen für Wunder? Sieh dort unseren Troß! Zwanzig Esel schickt er dir, deren Last ist Speise und ist der Preis Ägyptens, und die Wagen dort aus Pharao’s Schatz sollen uns alle hinabbringen zu deinem Sohn. Denn daß du kämest, war sein Betreiben von Anbeginn, ich hab’s durchschaut und er will, daß wir nahe bei ihm weiden auf fetten Triften, wo’s aber noch nicht garzu ägyptisch ist, im Lande Gosen.«
    Jaakob hatte volle, fast strenge Haltung bewahrt.
    »Darüber wird Gott befinden«, sprach er mit fester Stimme, »denn nur von Ihm nimmt Israel Weisungen an, nicht von den Großen der Welt. – Mein Damu, mein Kind!« kam es danach von seinen Lippen. Er hatte die Hände ob der Brust ineinander getan und die Stirn zu den Wolken gewandt: da hinauf schüttelte er langsam das alte Haupt.
    »Knaben«, sagte er, indem er es wieder senkte, »dies Mägdlein, das ich segne und das den Tod nicht schmecken soll, sondern lebend ins Himmelreich eingehen, wenn Gott mich erhört, – es hat mir gesungen, der Herr erstatte mir Rahels Ersten zurück, schön zwar immer noch, doch bereits etwas schwer. Das will wohl besagen, daß er von den Jahren und von den Fleischtöpfen Ägyptens unvermeidlich schon stark bei Leibe ist?«
    »Nicht sehr, lieber Vater, nicht sehr«, antwortete Juda beschwichtigend. »Nur in den Grenzen der Stattlichkeit. Du mußt bedenken, daß nicht der Tod ihn dir wiedergibt, sondern das Leben. Jener, wenn’s denkbar wäre, würde ihn dir herausgeben so, wie er war; da’s aber das Leben ist, aus dessen Händen du ihn zurückempfängst, ist er das Rehkalb nicht mehr von ehemals, sondern ist ein Haupthirsch geworden, der seinen Schmuck hat. Auch mußt du gefaßt sein, daß er ein wenig weltlich verfremdet ist nach seinen Bräuchen und trägt gefältelten Byssus, weißer als Hermons Schnee.«
    »Ich will hin und ihn sehen, ehe ich sterbe«, sagte Jaakob. »Hätte er nicht gelebt, er lebte nicht. Der Name des Herrn sei gepriesen.«
    »Gepriesen!« rief alles Volk und drängte stürmisch heran, um ihm mit den Brüdern beglückwünschend den Saum des Gewandes zu küssen. Er sah nicht auf ihre Köpfe hinab; gen Himmel waren wieder seine Augen gewandt, und schüttelte immer den Kopf da hinauf. Serach aber, der Liedermund, saß auf der Matte und sang:
    »Lies in seinen Schelmenblicken:
    Alles war nur Gottes-Scherz;
    und in spätem Hochentzücken
    zieh ihn an das Vaterherz!«

SIEBENTES HAUPTSTÜCK
    DER WIEDERERSTATTETE
    Ich will hin und ihn sehen
    So hatte denn die störrige Kuh die Stimme ihres Kindes, des Kalbes, vernommen, das der listige Herr auf den Acker gebracht, der gepflügt werden sollte, damit auch sie sich dorthin bequeme; und die Kuh trug das Joch und folgte. Schwer genug kam es sie immer noch an bei ihrer bedeutenden Abneigung gegen den Acker, den sie für einen Totenacker erachtete. Bedenklich genug blieb dem Jaakob sein erklärter Entschluß, und er war froh, daß er Zeit hatte, ihn wenigstens zu bedenken; denn die Ausführung, die Ablösung vom Ur-Gewohnten, die Gesamt-Übersiedelung der Sippe ins Unterland verlangte Zeit und gewährte ihm solche. Die Bene Jisrael waren nicht die Leute, die Weisung Pharao’s, ihren Hausrat nicht anzusehen, da sie im Gosen-Lande mit allem versehen sein sollten, wörtlich zu nehmen und einfach alles stehen- und liegenzulassen. »Nicht ansehen«, das hieß höchstens: nicht alles mitnehmen, denn das war untunlich; nicht alles Gebrauchsgut, auch nicht alles Klein- und Hornvieh; aber mitnichten hieß es, das, was die Wanderung überschwert hätte, demjenigen zu lassen, der es sich nehmen wollte. Ausgedehnte Verkäufe waren zu tätigen, und zwar nicht überhastet, sondern mit üblicher zäh-zeremonieller Gemächlichkeit. Daß aber Jaakob sie geschehen ließ, zeigte an, daß er an seinem Entschluß in vollem Umfange festhielt, obgleich seine Art, ihn auszusprechen, verschiedene Deutungsmöglichkeiten zugelassen hatte.
    »Ich will hin und ihn sehen«, das mochte allenfalls, und wenn man’s so hörte, nur bedeuten wollen: »Ich will ihn besuchen, sein Angesicht wiedersehen, bevor ich sterbe und dann zurückkehren.« Aber es konnte das, wie allen und auch dem Jaakob selbst klar war, eben doch wieder niemals bedeuten. Hätte es sich nur um einen Besuch zum Zwecke des Wiedersehens gehandelt, so wäre, mit Verlaub gesagt, Seine Herrlichkeit, Gnaden Joseph, seinem Väterchen diesen Besuch schuldig gewesen, um ihn der gewaltigen Unbequemlichkeit einer Reise nach

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