Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Altersspiralen dasselbe sich wieder einfand: der Aufbruch. Er war auch Isaak, der nach Gerar zu Abimelech zog ins Philisterland. Mehr noch und tiefer zurück: die Urform des Aufbruchs sah er wiederkehren: Abrams, des Wanderers, Auszug von Ur und Chaldäa, – der die Urform nicht war, sondern nur die irdische Spiegelung und Nachahmung himmlischer Wanderschaft: derjenigen des Mondes, der seinen Weg dahinzog, sich aus einer Station nach der anderen lösend: Bel Charran, der Herr des Weges. Und da denn Abram, der irdische Urwanderer, zu Charran Station gemacht hatte, so stand gleich fest, daß dafür Beerscheba einzutreten hatte und Jaakob dort seine erste Mondstation machen werde.
Der Gedanke an Abram und daran, daß dieser auch während einer Hungersnot nach Ägypten gezogen war, um dort als Fremdling zu wohnen, tröstete ihn sehr; und wie bedurft’ er des Trostes! Zwar winkte in seliger Schmerzlichkeit ein Wiedersehen, nach welchem er ruhig würde sterben können, da keine Freude nachher mehr befahrenswert schien; zwar galt, in Ägypten einzuwandern und auf Pharao’s Triften weiden zu dürfen, als eine große Vergünstigung, um die viele sich bewarben und viele ihn und sein Haus beneideten. Und doch war es ein schwerer Entschluß für Jaakob, sich in Gottes Beschluß zu fügen, das Land seiner Väter zu meiden und es zu vertauschen mit dem anstößigen Lande der Tiergötter, dem Land des Schlammes, dem Land der Kinder Chams. Locker und auf Widerruf, wie die Väter, und stets als ein halber Fremder, wie sie, hatte er in dem von Abram erwanderten Lande gesiedelt; aber er hatte gemeint, hier zu sterben, wie jene, und das Wahrwort, das Abram vernommen: sein Same werde fremd sein in einem Lande, das nicht ihm gehöre, das hatte er auf dies Land hier, wo er geboren war und wo seine Toten ruhten, beziehen zu dürfen geglaubt. Nun stellte sich heraus, daß die Verkündigung, die nicht umsonst mit Schrecken und großer Finsternis verbunden gewesen war, weiter reichte und offenbar auf das nun zu erwandernde Land zielte: Mizraim, das ägyptische Diensthaus. So hatte Jaakob das streng verwaltete Unterland mißbilligend immer genannt, nicht aber dabei vermeint, daß es seinem eigenen Samen zum Diensthaus werden sollte – wie ihm nun sorgenvoll klar wurde. Sein Aufbruch war mit der Einsicht belastet, daß die bedrohliche Fortsetzung der Gottesanzeige: »Und da wird man sie zu dienen zwingen und plagen vierhundert Jahre« sich auf das Land bezog, wohin er aufbrach; der Frondienst vieler Geschlechter war es, aller Wahrscheinlichkeit nach, dem er sein Haus entgegenführte, und mochte auch alles dem Heilsplan Zugehörige gut sein; mochte, was Glück und Unglück heißt, sich aufheben im großen Gedanken des Schicksals und der Zukunft: ein schicksalsvoller Aufbruch war es nun einmal gewiß, zu dem sich Jaakob in Gott entschloß.
Ins Land der Gräber ging es, bedenklicher Weise; doch Gräber wiederum waren es, die er am schwersten zurückließ: das Grab Rahels am Wege und Machpelach, die doppelte Höhle, die Abram gekauft hatte samt dem Acker, darauf sie gelegen, von Ephron, dem Chetiter, zum Erbbegräbnis, für vierhundert Schekel Silbers nach dem Gewicht, wie es gang und gäbe war. Israel war beweglich, wie Schafzüchter es sind; doch diese Liegenschaften besaß es: den Acker mit der Höhle, und sie sollten ihm bleiben. Die Auswandernden veräußerten manches Bewegliche, das Unbewegliche aber gerade, der Acker mit dem Grab, war ihnen unveräußerlich. Sie waren dem Jaakob das Unterpfand seiner Wiederkehr. Denn wieviele Geschlechter auch, während sein Haus sich mehrte, in ägyptischer Erde verwesen würden, er selbst war entschlossen, es Gott und den Menschen zur Auflage zu machen, daß er, war der Rest seines Lebens verlebt, heimgebracht werde in das feste Heim, das er, der sonst lose Hausende, auf Erden besaß, auf daß er liege, wo seine Väter und seiner Söhne Mütter lagen – bis auf die Geliebte, Gesonderte, die abseits am Wege lag, die Mutter des Geliebten, Dahingenommenen, der ihn berief.
War es nicht gut, daß Jaakob Zeit hatte, seinen Aufbruch zu bedenken, hinab zu dem Weggerafften? Welche Aufgabe stellte nicht dem Gottesverständnis die eigentümliche Rolle des abgesonderten Lieblings! Von Jaakobs Gedankenbeschlüssen nach dieser Seite wird man durch ihn selbst erfahren. Sprach er von Joseph jetzt, so nannte er ihn nicht anders als »mein Herr Sohn«. »Ich beabsichtige«, äußerte er, »zu meinem Herrn Sohn nach
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