Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
Übersetzung noch dunkler wurde, offenen Mundes an. Hilfesuchend blickte er auf Joseph, der aber die Augen gesenkt hielt.
    »Aber ja«, sagte er. »Aber gewiß doch, Großväterchen, das ist klar. Wohl und weise geantwortet, wie Pharao es wirklich gern hört. Nun aber sollst du dich nicht länger mit Stehen bemühen vor Meiner Majestät. Gehe in Frieden und lebe, solang’ es dich irgend freut, noch zahllose Jahre zu deinen hundertunddreißig!«
    Jaakob aber segnete Pharao auch zum Schlusse wieder mit erhobener Hand und ging dann, ohne sich das Geringste vergeben zu haben, feierlichhochbeschwerlich von ihm hinaus.
    Vom schelmischen Diener
    Eine zuverlässige Klarstellung von Josephs Verwaltungstätigkeit findet hier ihren Platz, damit dem halbunterrichteten Gerede, das allezeit darüber im Umlauf war und oft in Schimpf und Unglimpf ausartete, ein für allemal der Boden entzogen sei. Schuld an diesen Mißverständnissen, die mehrmals geradezu das Urteil »abscheulich« auf Josephs Amtsführung herabgezogen haben, ist – man kann nicht umhin, das festzustellen – in erster Linie die früheste Nacherzählung der Geschichte, deren Lakonismus ihrer ursprünglichen Selbsterzählung, das heißt: der geschehenen Wirklichkeit von einst, so wenig nahe kommt.
    Es sind harte und trockene Daten, auf die diese erste Niederschrift die Handlungen von Pharao’s großem Geschäftsmann zurückführt, und sie geben von der allgemeinen Bewunderung, die jene im Original erregten, weder eine Vorstellung, noch erklären sie diese Bewunderung, die sehr vielfach in Vergöttlichung überging und in träumerischem Wörtlichnehmen einiger seiner Titel, wie »der Ernährer« und »der Herr des Brotes«, große Volksmassen dazu führte, eine Art von Nil-Gottheit, ja, eine Verkörperung Chapi’s selbst, des Erhalters und Lebensspenders, in ihm zu sehen.
    Diese mythische Popularität, die Joseph gewann, und auf deren Gewinnung sein Wesen wohl immer ausgegangen war, beruhte vor allem auf der irisierenden Gemischtheit, der mit den Augen lachenden Doppelsinnigkeit seiner Maßnahmen, die gleichsam nach zwei Seiten funktionierten und auf eine durchaus persönliche Weise und mit magischem Witz verschiedene Zwecke und Ziele mit einander verbanden. Wir sprechen von Witz, weil dieses Prinzip seinen Platz hat in dem kleinen Kosmos unserer Geschichte und früh die Bestimmung fiel, daß der Witz die Natur hat des Sendboten hin und her und des gewandten Geschäftsträgers zwischen entgegengesetzten Sphären und Einflüssen: zum Beispiel zwischen Sonnengewalt und Mondesgewalt, Vatererbe und Muttererbe, zwischen Tagessegen und dem Segen der Nacht, ja, um es direkt und umfassend zu sagen: zwischen Leben und Tod. Dies schlank-behende, lustig versöhnende Mittlertum hatte in Josephs Gastland, dem Lande der schwarzen Erde, noch gar keinen rechten Ausdruck in einer Gottesperson gefunden. Thot, der Schreiber und Totenführer, Erfinder vieler Gewandtheiten, kam der Gestalt am nächsten. Nur Pharao, vor den alles Göttliche von weither gebracht wurde, hatte Kunde von einer vollendeteren Ausbildung dieses Gottescharakters, und die Gnade, die Joseph vor ihm gefunden, dankte er vorwiegend dem Umstande, daß Pharao die Züge des schelmischen Höhlenkindes, des Herrn der Stückchen, in ihm wiedererkannt und sich mit Recht gesagt hatte, daß kein König sich Besseres wünschen könne, als eine Erscheinung und Inkarnation dieser vorteilhaften Gottes-Idee zum Minister zu haben.
    Die Kinder Ägyptens machten durch Joseph die Bekanntschaft der beschwingten Figur, und wenn sie sie nicht in ihr Pantheon aufnahmen, so nur, weil der Platz durch Djehuti, den weißen Affen, besetzt war. Eine religiöse Erweiterung bedeutete die Erfahrung gleichwohl für sie, besonders durch die heitere Veränderung, die der Idee des Zaubers dabei unterlag, und die allein genügte, das mythische Staunen dieser Kinder hervorzurufen. Mit der Zauberei hatte es bei ihnen immer eine ängstlich-ernsthafte und sorgenvolle Bewandtnis, – dem Übel aufs dichteste vorzuzaubern, es aufs undurchlässigste abzuwehren, war ihnen alles Zauberns Sinn, weshalb sie ja auch Josephs große Korn-Hamsterei und seine vielen Speicher-Kegel in zauberischem Lichte gesehen hatten. Zauberhaft erst recht nun aber erschien ihnen die Begegnung von Vorsorge und Übel, will sagen: die Art, wie der Schattenspender kraft seiner Vorkehrungen dem Übel auf der Nase spielte, Vorteil und Gewinn daraus zog, es Zwecken dienstbar machte, die

Weitere Kostenlose Bücher