Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
die Gau-Barone und Groß-Grundbesitzer, die sich Königen gleichhielten, zu unverfrorenen Konjunktur-Preisen und zog »Geld«, das heißt Tauschwerte in die königliche Kasse, daß bald kein »Geld« im engeren Sinne, also Edelmetall in allerlei Form mehr unter den Leuten war: denn »Geld« als geprägte Münze gab es ja garnicht, und zu den Tauschwerten, die für Korn dahingegeben wurden, gehörten von vornherein auch alle Arten von Vieh: das war kein Nacheinander und keine Steigerung, und eine Darstellung, die die Vorstellung erweckt, als habe Joseph die Entblößtheit der Leute von »Geld« dazu benutzt, ihnen ihre Pferde, Rinder und Schafe abzunehmen, läßt zu wünschen übrig. Vieh ist auch Geld; es ist sogar in ganz vorzüglichem Sinne Geld, wie noch aus dem hochmodernen Ausdruck »pekuniär« hervorgeht; und selbst ehe noch die Vermögenden mit ihren goldenen und silbernen Prunkgefäßen zahlten, taten sie es mit Groß- und Kleinvieh – von dem übrigens nicht gesagt ist, daß es allzumal und bis auf die letzte Kuh in Pharao’s Ställe und Pferche überging. Joseph hatte nicht sieben Jahre lang Ställe und Pferche gebaut, sondern Speicherkegel, und für all das Geld-Vieh hätte er weder Raum noch Verwendung gehabt. Wenn man nie von dem wirtschaftlichen Vorgang der »Lombardierung« gehört hat, so kann man freilich einer Geschichte, wie dieser, nicht folgen. Das Vieh wurde beliehen oder verpfändet, – welchen Ausdruck man nun wählen will. Es blieb größten Teils auf den Höfen und Gütern, aber es hörte auf, den Inhabern im alten Sinne des Wortes zueigen zu sein. Das heißt, es war ihr Eigentum und war es auch wieder nicht mehr, war es nur noch bedingt und belasteter Weise, und wenn die erste Nacherzählung es an irgend etwas fehlen läßt, so ist es dies, den Eindruck zu erzeugen, an dem doch so vieles gelegen ist, daß Joseph’s Verfahren durchweg darauf abzielte, den Eigentumsbegriff zu verzaubern und ihn in einen Schwebe-Zustand von Besitz und Nicht-Besitz, von eingeschränktem und lehenhaftem Besitz zu überführen.
Denn wie die Jahre der Dürre und des erbärmlichen Pegelstandes sich aufreihten, die Brust der Erntekönigin hinweggewandt blieb, Kraut nicht aufging, Getreide nicht wuchs, der Mutterleib verschlossen war und kein Kind der Erde gedeihen ließ, – kam es ja in der Tat und ganz den Worten des Textes gemäß dahin, daß große Teile der schwarzen Erde, die bisher noch der privaten Hand gehört hatten, in Kronbesitz übergingen, was mit den Worten wiedergegeben ist: »Da erwarb Joseph den ganzen Boden Ägyptens für Pharao, denn es verkauften die Ägypter jeder sein Feld.« Wofür? Für Saatkorn. Die Lehrer sind übereingekommen, daß es gegen Ende der Hungersträhne gewesen sein muß, als die Fessel der Unfruchtbarkeit sich schon etwas zu lockern begann, die wässerigen Dinge zum leidlich Normalen zurückkehrten und die Felder ertragsfähig gewesen wären, wenn man sie hätte besäen können. Daher die Worte der Bittenden: »Warum sollen wir sterben vor dir, wir sowohl als unser Feld? Kaufe uns und unser Land ums Brot, und wir wollen mitsamt dem Boden Pharao leibeigen sein, wenn du Samen gibst, daß wir leben und nicht sterben und der Boden nicht wüst liege!« – Wer spricht da? Es sind gesprochene Worte, kein Volksgeschrei. Es ist ein Vorschlag, ein Angebot, gemacht von Einzelnen, einer Gruppe, einer bisher sehr unfügsamen, ja aufsässigen Menschenklasse, den großen Latifundienbesitzern und Gaufürsten, denen Pharao Achmose, am Anfang der Dynastie, große Titel, wie »Erster Königsohn der Göttin Nechbet«, und großen, unabhängigen Landbesitz hatte verleihen müssen, – altmodisch trotzigen Feudalherrn, deren rückständige, der Gesamtheit unnützliche Existenz dem neuen Staate längst ein Dorn im Auge war. Diese stolzen Herren ins Zeitgemäße zu nötigen, nahm Joseph, der Staatsmann, die Gelegenheit wahr. Um sie in erster Linie handelte es sich bei den Enteignungen, den Umsiedlungen, von denen wir hören: was sich unter diesem weisen und entschlossenen Minister ereignete, war die Auflösung des noch vorhandenen Großgrundbesitzes und die Besetzung kleinerer Gutsgebiete mit Pachtbauern, die dem Staate für eine auf der Höhe der Zeit stehende Bewirtschaftung, Kanalisierung und Bewässerung des Bodens verantwortlich waren; es war also eine gleichmäßigere Verteilung des Landes unter das Volk und eine durch Kron-Aufsicht verbesserte Agrikultur. Mancher »Erste Königsohn«
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