Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
längst bewirtschafteten Scholle sitzen blieb, würde leicht in überwundenen Anschauungen befangen bleiben und sich wohl gar eines Tages aus Vergeßlichkeit gegen die Ansprüche der Krone erheben. War er dagegen gehalten, sein Gut zu verlassen und empfing er dafür aus Pharao’s Hand ein anderes, so war der Lehenscharakter des Besitzes viel anschaulicher gemacht.
Daß der Besitz dabei noch Besitz blieb, war das Merkwürdige. Das Kennzeichen persönlichen und freien Eigentums ist das Recht auf Verkauf und Vererbung, und Joseph ließ diese Verfügungsrechte bestehen. In ganz Ägyptenland gehörte fortan aller Boden Pharao und konnte dabei verkauft und vererbt werden. Nicht umsonst haben wir von einer Verzauberung des Eigentumsbegriffes durch Josephs Maßnahmen gesprochen; von einem Schwebezustand, in den dieser Begriff durch sie versetzt wurde, so daß der Blick der Leute, wenn sie ihn innerlich auf den Gedanken »Besitz« zu richten versuchten, sich im Zweideutigen brach und sich darin festsah. Was sie ins Auge zu fassen suchten, war nicht zerstört und aufgehoben, aber es erschien in einem Zwielicht von Ja und Nein, von Verflüchtigung und Bewahrtsein, das allgemeines Blinzeln schuf solange, bis sich der Sinn daran gewöhnt hatte. Josephs Wirtschafts-System war eine überraschende Verbindung von Vergesellschaftung und Inhaberfreiheit des einzelnen, eine Mischung, die durchaus als schelmisch und als Manifestation einer verschlagenen Mittlergottheit empfunden wurde.
Die Überlieferung betont, die Reform habe sich nicht auf den Landbesitz der Tempel erstreckt: die vom Staate dotierten Priesterschaften der so zahlreichen Heiligtümer, namentlich die Ländereien Amun-Rê's, blieben ungeschoren und zinsfrei. »Ausgenommen der Priester Feld«, heißt es, »das kaufte er nicht.« Auch das war weise, – wenn Weisheit eine ins Schelmische gesteigerte Klugheit ist, die den Gegner in der Sache zu schädigen weiß, während sie ihm der Form nach Reverenz erweist. Nach Pharao’s Sinn war die Schonung Amuns und der kleineren Orts-Numina bestimmt nicht. Er hätte den von Karnak gern gerupft und gebeutelt gesehen und haderte knabenhaft deswegen mit seinem Schattenspender, den aber die Zustimmung Mamachens, der Mutter Gottes, deckte. Mit ihrem Einverständnis blieb Joseph dabei, die Anhänglichkeit des kleinen Mannes an die alten Götter des Landes zu schonen, diese Pietät, die Pharao gern zu Gunsten der Lehre von seinem Vater im Himmel mit Stumpf und Stiel ausgerodet hätte und mit anderen Mitteln, die Joseph ihm nicht verwehren konnte, auch auszuroden versuchte, – vor Eifer der Einsicht unfähig, daß das Volk sich dem Läuternd-Neuen viel zugänglicher erweisen werde, wenn man ihm zugleich erlaubte, an seinen althergebrachten Glaubens- und Kultgewohnheiten festzuhalten. Von Amun aus gesehen, hätte Joseph es durchaus für verfehlt gehalten, dem Widderköpfigen den Eindruck zu erwecken, als richte die ganze Agrar-Reform sich gegen ihn und sei als Mittel zu seiner Herabsetzung gemeint, sodaß er aufgeregt worden wäre, im Volke dagegen zu wühlen. Viel besser hielt man ihn durch die Gebärde höflicher Rücksichtnahme in Ruhe. Die Ereignisse all dieser Jahre, Überfluß, Vorsorge und Volkserrettung fielen mächtig genug für Pharao und sein geistliches Ansehen in die Waagschale, und die Reichtümer, die Joseph durch seine Kornverkäufe dem Großen Hause zugeschanzt hatte und noch immer zuzuschanzen fortfuhr, bedeuteten mittelbar einen solchen Schwere-Verlust für den Reichsgott, daß die Verbeugung vor seiner altgeheiligten Zinsfreiheit auf bloße Ironie hinauslief und eben jenes Augenlachen erkennen ließ, das das Volk in allen Handlungen seines Hirten gewahrte.
Selbst das Werbemittel, das dem Gestrengen zu Karnak in Pharao’s unbedingter Friedlichkeit, seiner strikten Ablehnung des Krieges, zu Gebote stand, wurde ihm aus der Hand genommen oder verlor doch an Wirksamkeit durch Josephs Belieferungs- und Pfandsystem, das wenigstens eine Zeitlang die Dreistigkeit binden konnte, zu der eine zart gewordene und zur Gewalt unwillige Macht die gemeine Menschheit reizt. Groß waren die Gefahren, die die liebliche Gemütsverfassung eines späten Erben über das Reich Tutmose’s, des Eroberers, heraufbeschwor, denn rasch sprach es sich herum in der Staatenwelt, daß in Ägyptenland nicht mehr der eiserne Amun-Rê, sondern eine gemütvolle Blumen- und Piepvogel-Gottheit den Ton angebe, die um keinen Preis das Schwert des Reiches
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