Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
des ausländischen Großvaters Stammesgewohnheiten. Und damit hätten sie nicht so unrecht gehabt. Denn Jaakob, des Pelzigen Bruder, wiederholte natürlich und ahmte nach. Den Blinden im Zelte ahmte er nach, seinen Vater, der ihm vor dem Roten den Segen dahingegeben. Ohne Segensbetrug ging es in seinen Augen nicht ab. Vertauscht mußte sein, und darum vertauschte er wenigstens seine Hände, daß auf den Jüngsten die Rechte kam und dieser zum Rechten wurde. Ephraim hatte Rahels Augen und war offensichtlich der Angenehmere, – auch das spielte mit. Hauptsächlich aber war er der Jüngere, wie er selbst, Jaakob, der Jüngere gewesen war und war vertauscht worden durch die Haut, durch das Fell. In seinen Ohren, während er die Hände vertauschte, summte es von Sprüchen, die die rüstige Mutter gemurmelt, als sie ihn zubereitete, die aber viel weiter hertönten und viel anfänglich-älter waren als seine eigne Vertauschung: »Ich wickle das Kind, ich wickle den Stein, es taste der Herr, es esse der Vater, dir müssen dienen die Brüder der Tiefe.«
Joseph war, wie gesagt, erheitert und auch verletzt, dies beides. Sein Sinn fürs Schelmische war ausgeprägt, aber als Staatsmann fühlte er sich verpflichtet, zu retten, was von Ordnung und Recht noch zu retten war. Sobald also der Alte ausgesegnet, sagte er:
»Vater, verzeih, nicht also! Ich hatte die Knaben recht vor dich hingestellt. Hätte ich gewußt, daß du deine Hände zu kreuzen gedächtest, so hätte ich sie anders postiert. Darf ich dich aufmerksam machen, daß du deine Linke auf Menasse gelegt hast, meinen Älteren, und die Rechte auf Ephraim, den Nachgeborenen? Das schlechte Licht ist hier schuld, daß du dich, mit Verlaub gesagt, etwas versegnet hast. Willst du’s nicht rasch noch verbessern, die Hände ins Rechte vertauschen und vielleicht nur noch einmal ›Amen‹ sagen? Denn die Rechte ist für Ephraim ja die Rechte nicht; Menassen gebührt sie.«
Dabei faßte er sogar des Alten Hände, die noch auf den Häuptern lagen, und wollte sie ehrerbietig ins Rechte bringen. Aber Jaakob hielt fest an ihrer Stellung.
»Ich weiß wohl, mein Sohn, ich weiß wohl«, sagte er. »Und du, laß es also sein! Du regierst in Ägyptenland und nimmst den Fünften, aber in diesen Dingen regiere ich und weiß, was ich tue. Gräme dich nicht: dieser« (und er hob seine Linke ein wenig) »wird auch zunehmen und ein groß Volk werden; aber sein kleinerer Bruder wird größer denn er werden und sein Same ein übergroß Volk sein. Wie ich’s gemacht habe, hab ich’s gemacht und ist mein Wille sogar, daß es sprichwörtlich werde und eine Redeweise in Israel, also daß, wenn einer jemanden segnen will, so soll er sprechen: ›Gott setze dich wie Ephraim und Menasse.‹ Merk es, Israel!«
»Wie du befiehlst«, sagte Joseph.
Die Jünglinge aber zogen die Köpfe unter den Segenshänden hinweg, legten die Hände an ihre Taillen, glätteten ihre Frisuren und waren froh, daß sie wieder aufrecht stehen durften. Sie waren von der Vertauschung wenig berührt, – mit Recht insofern, als die heilige Fiktion, die sie zu Söhnen Jaakobs und gleichwie Lea-Sprossen machte, an ihrem persönlichen Dasein nichts änderte. Sie verbrachten ihr Leben als ägyptische Edelleute, und erst ihre Kinder, richtiger aber wohl erst einzelne ihrer Enkel schlossen sich durch Umgang, Religionsübung und Heirat mehr und mehr den ebräischen Leuten an, sodaß gewisse Gruppen der Sippschaft, die eines Tages von Keme nach Kanaan zurückwanderte, sich von Ephraim und Menasse herleiteten. Aber auch in Ansehung der Zukunft und der Auswirkung von Jaakobs Handgriff war der Gleichmut der jungen Leute nicht ungerechtfertigt, wenigstens soweit die Menge derer in Frage kam, die sich später nach ihrem Namen nannten. Denn unsere Nachforschungen haben ergeben, daß auf der Höhe ihrer Entfaltung die Leute Menasse’s um gut zwanzigtausend Seelen mehr betrugen, denn Ephraims Leute. Aber Jaakob hatte seinen Segensbetrug gehabt.
Er war recht erschöpft nach der Feier und nicht mehr ganz klar im Geiste. Obgleich Joseph ihn bat, sich niederzulegen, blieb er im Bette hoch sitzen und kündete dem Liebling von einem Stück Land, das er ihm vermache außer seinen Brüdern, und das er mit »seinem Schwert und Bogen« den Amoritern genommen habe. Gemeint konnte nur das Stück Saatland vor Schekem sein, das Jaakob einst von Chamor oder Hemor, dem Gichtigen, unterm Tore der Stadt für hundert Schekel Silbers erworben – und also
Weitere Kostenlose Bücher