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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Vierte dafür bereitet ist, neben den drei feierlichsten.«
    Hier machte sich Joseph schon bereit, die Prinzen vor ihn zu stellen, aber der Alte fing erst noch an von Rahel zu künden, noch einmal wieder, wie sie ihm gestorben sei, als er aus Mesopotamien kam, im Lande Kanaan, auf dem Wege, da nur noch ein Streckchen war gen Ephrat, und wie er sie begraben habe daselbst an dem Wege Ephrats, die nun Bethlehem heiße. Das tat er nur so zwischendurch; viel Zusammenhang hatte es nicht mit dem, um was es jetzt ging, es sei denn, daß er den Schatten der Einzig-Geliebten beschwören wollte zum Beisein in dieser Stunde und wollte vielleicht den Rahelsvölkern ein eigenes heiliges Grab anweisen, besonders für sie, da den anderen Machpelach, die doppelte Höhle, Stätte der Wallfahrt sein sollte. Auch vielleicht wollte er das Stückchen und die Vertauschung im voraus rechtfertigen, die er vorhatte und bestimmt schon lange im Sinne trug, – die Meinungen der Lehrer über seine Absicht mit dieser Erwähnung gehen auseinander, aber wir meinen eher, er hatte garkeine und redete von der Lieblichen, weil er eben im feierlichen Reden und bei seinen Geschichten war und unendlich gern von Rahel redete, auch ohne Zusammenhang, ebenso gern wie von Gott; auch weil er fürchtete, daß er keine Gelegenheit mehr haben möchte, von ihr zu reden, und es unbedingt noch einmal tun wollte.
    Danach, als er sie denn zum letzten Mal am Wege begraben, sah er sich um, legte die Hand über die Augen und fragte:
    »Und wer sind die?«
    Denn er tat, als habe er die beiden Enkel bisher überhaupt noch nicht bemerkt, und übertrieb sehr seine Unmacht, zu sehen.
    »Das sind meine Söhne, heiliges Väterchen«, antwortete Joseph, »die wohlbekannten, die mir Gott gegeben hat hierzulande.«
    »Sind sie’s«, sagte der Greis, »so bringe sie her zu mir, daß ich sie segne.«
    Was war da zu bringen? Die Infanten kamen schon ganz von selbst mit schmiegsamen Hüften heran und neigten sich in ausgesuchter Wohlerzogenheit.
    Der Alte wiegte mit leisem Zungenschnalzen das Haupt.
    »Liebliche Knaben, soviel ich sehe«, sagte er. »Fein und lieblich vor Gott alle beide! Beugt euch zu mir herab, ihr Schätze, daß ich das junge Blut eurer Wangen herze mit dem hundertjährigen Mund! Ist das Ephraim, den ich da herze, oder Menasse? Nun, gleichviel! War es Menasse, so ist’s nun Ephraim, den ich auf die Wangen küsse und auf die Augen. Siehe, ich habe dein Angesicht wiedergesehen«, wandte er sich an den Sohn, während er Ephraim noch umschlungen hielt, »was ich nicht mehr gedacht hätte; und nicht genug damit, sondern auch deinen Samen hat Gott mich noch sehen lassen. Ist es zuviel gesagt, ihn den Quell unendlicher Güte zu nennen?«
    »Doch nicht«, antwortete Joseph zerstreut; denn er sorgte, daß die Knaben recht ständen vor Jaakob, der zu erkennen gab, daß er sie nicht unterscheide.
    »Menasse«, sagte er leise zum Älteren, »Achtung! Hierher! Sieh nach der Ordnung, Ephraim, dorthin!«
    Und nahm diesen mit seiner Rechten und schob ihn vor Israels linke Hand, und mit seiner Linken nahm er Menasse und stellte ihn gegen Jaakobs rechte, damit alles die rechte Art habe. Was aber sah er nun da mit Staunen, Unwillen und stiller Erheiterung? Das sah er: Der Vater, blind erhobenen Angesichts, legte seine linke Hand auf Menasse’s gebeugtes Haupt und, indem er die Arme kreuzte, die rechte auf Ephraims und fing, die Augen blind in den Lüften, bevor Joseph einschreiten konnte, sofort an zu reden und zu segnen. Den dreifachen Gott rief er an, den Vater, den Hirten, den Engel, der solle die Knaben segnen und machen, daß sie nach seinem, Jaakobs, und nach seiner Väter Namen genannt würden, und daß sie wüchsen und wie Fische zur Fülle wimmelten. »Ja, ja, so sei es. Ströme, du Segen, heilige Spende, aus meinem Herzen, durch meine Hände, auf euere Häupter, in euer Fleisch, in euer Blut. Amen.«
    Es war ganz unmöglich für Joseph, den Segen zu unterbrechen, und seine Söhne merkten garnicht, wie ihnen geschah. Sie waren überhaupt nicht sehr bei der Sache und etwas wütend, besonders Menasse, weil sie die Gazellenjagd in der Wüste versäumen mußten um dieser Ceremonie willen. Übrigens aber spürte jeder eine Segenshand auf seinem Haupt und wenn sie hätten sehen können, daß die Hände gekreuzt waren und die rechte dem Jüngeren auflag, die linke aber dem Älteren, so hätten sie sich auch nichts daraus gemacht, sondern gedacht, das müsse so sein und sei nach

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