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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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barbarisch verwüstet um der Schwester willen, – eine Ewigkeit war das her, aber sie konnten sicher sein, es feierlich aufgetischt zu bekommen, und wappneten sich auch. Da war Jehuda, der es versehentlich mit seiner Schnur getrieben, – er zweifelte garnicht, daß der Alte grausam und sterbensstreng genug sein werde, es ihm vorzuhalten, besonders da er selber ein wenig in sie verliebt gewesen war. Da waren sie alle und hatten, bis auf Benjamin, den Gegängelten, einst den Dumuzi verkauft. Jaakob würde im Stande sein, auch davon bei dieser Gelegenheit zu singen und zu sagen, – sie erwarteten es und verstockten sich alle in dieser Erwartung. Namentlich die Lea-Söhne verstockten sich, denn keiner von ihnen hatte es je dem Vater verziehen, daß er nach Rahels Tod nicht ihre Mutter, sondern Bilha, Rahels Magd, zur Liebsten und Rechten gemacht hatte. Er hatte auch seine Schwächen und hatte gefühlvolle Willkür geübt sein Leben lang. An der Geschichte mit Joseph, dachten sie trotzig, war er ebenso schuldig wie sie, das sollte er bedenken, eh’ er die Sterbensgelegenheit großartig wahrnahm, sie dafür abzukanzeln. Kurzum, ihre Furcht vor der Szene kleidete sich in Verstocktheit; sie machte, daß sie im voraus beleidigte Mienen aufsetzten um dessentwillen, was drinnen bevorstand; und Joseph sah es und redete ihnen gütlich zu, indem er von einem zum anderen trat, sie freundlich anrührte und sagte:
    »Gehen wir denn hinein zu ihm, Brüder, und laßt uns in Demut den Spruch hören, den uns der Liebe verhängt, ein jeder den seinen. Vernehmen wir ihn, wenn’s nötig, mit Nachsicht! Denn Nachsicht soll zwar herniedergehen von Gott zum Menschen und vom Vater zum Kinde, bleibt sie aber aus, so soll das Kind ehrfürchtige Nachsicht üben gegen die Schwäche des Größeren im Verzeihen. Gehen wir, er wird uns beurteilen mit Wahrheitssinn und werden unser Teil bekommen alle, glaubt mir, ich auch.«
    So traten sie behutsam ins Zelt, der ägyptische Joseph mit ihnen, aber durchaus nicht zuerst, obgleich sie ihn wollten vorangehen lassen; sondern mit Benjamin ging er hinter den Lea-Söhnen und nur vor den Kindern der Mägde. Mai-Sachme, sein Haushalter, ging auch mit hinein, teils mit dem Rechte, daß er schon lange in dieser Geschichte war und eine Rolle gespielt hatte bei ihrer Ausschmückung, teils auch, weil die Versammlung weitgehend öffentlich war und, wie sich herausstellte, eigentlich jedermann Zutritt dazu hatte: im Sterbegemach war es sehr voll, als die Zwölfe darin waren, denn mit Damasek-Eliezer, dem Rufer, umstanden noch eine Anzahl Unter-Diener aus Jaakobs engerer Pflegschaft das Lager des Herrn, und von seiner Nachkommenschaft standen viele oder lagen auf ihren Angesichtern im weiteren Raum. Sogar Weiber mit Kindern, auch solche, die einem Säugling die Brust gaben, waren da. Knaben saßen auf den Truhen an den Wänden und betrugen sich nicht immer zum besten, obgleich jede Ungebühr rasch unterdrückt wurde. Dazu hatte man das Eingangsgehänge weit aufgerafft, sodaß diejenigen, die sich vor dem Hause drängten, Hofvolk und Zaungäste des Städtchens Pa-Kôs, eine Menge Menschen, freien Einblick hatten und sozusagen einbezogen waren in die Versammlung. Da die Sonne sich neigte und diese äußere Gemeinde gegen einen orangefarbenen Abendhimmel stand, so wirkte sie schattenhaft, und nicht leicht war ein Einzel-Gesicht zu unterscheiden. Aber das Gegenlicht der beiden Öllampen, die auf hohen Ständern am Kopf- und Fußende des Sterbebettes loderten, erlaubt uns doch, eine prägnante Gestalt dort draußen mit aller Bestimmtheit auszumachen: eine hagere Matrone in Schwarz, zwischen zwei auffallend breitschultrigen Männern, das graue Haar von einem Schleier bedeckt. Kein Zweifel, es war Thamar, die Entschlossene, mit ihren weidlichen Söhnen. Sie war nicht hereingekommen, sondern hielt sich draußen für den Fall, daß Jaakob bei seinen Sterbereden auf Juda’s Sünde mit ihr sollte zu sprechen kommen. Aber zur Stelle war sie – und ob sie zur Stelle war, da Jaakob den Segen vererben sollte auf den, mit dem sie am Wege gebuhlt und sich auf den Weg gebracht! Auch ohne das Lampenlicht von hier drinnen wäre ihr stolzer Schattenriß vor dem halb regnerisch farbigen Abendhimmel uns nicht entgangen.
    Der, welcher sie einst die Welt gelehrt und die große Geschichte, in die sie sich eingeschaltet, er, der die Sterbeversammlung einberufen, Jaakob ben Jizchak, der vor Esau gesegnete, lag, von Kissen gestützt, unter

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