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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Frage dabei deine Stirne streift. Meine Augen sind die besten nicht mehr, denn eingetreten bin ich in meine Sterbezeit und mein Blick überzieht sich mit Dunkel. Aber den Schatten, der dein Angesicht streift, den seh’ ich genau, weil ich nämlich wußte, daß er es streifen würde, denn wie sollte er nicht? Ist doch ein Grab am Wege, nur noch ein Streckchen gen Ephrat, die sie nun Bethlehem nennen, wo ich einbettete, was mir auf Gottes Erde das Liebste war. Will ich denn nicht an ihrer Seite liegen, wenn du mich folgsam heimbringst, mit ihr liegen abgesondert am Wege? Nein, mein Sohn, ich will es nicht. Ich habe sie geliebt, ich habe sie zu sehr geliebt, aber nicht nach dem Gefühle geht es und nach des Herzens üppiger Weichheit, sondern nach der Größe und nach dem Gehorsam. Es schickt sich nicht, daß ich am Wege liege, sondern bei seinen Vätern will Jaakob liegen und bei Lea, seinem ersten Weibe, von der der Erbe kam. Siehe, da stehen nun deine schwarzen Augen voll Tränen, auch das sehe ich noch genau, und gleichen völlig und bis zur Täuschung den Augen der Vielgeliebten. Es ist schön, mein Kind, daß du ihr so sehr gleichst, wenn du nun in Gnaden deine Hand unter meine Hüfte legst, darauf, daß du mich begraben willst nach der Größe und dem Gehorsam in Machpelach, der doppelten Höhle.«
    Joseph tat ihm den Schwur. Und da er ihn getan, beugte Israel sich über das Kopfende des Bettes zum Dankgebet. Danach saß der Gesonderte noch ein Stündchen stille beim Vater, neben ihm auf dem Sterbebett, und der Greis lehnte schweigend das Haupt an seine Schulter, daß er fürs Künftige seine Kräfte schone.
    Ephraim und Menasse
    Ein paar Wochen später wurde er krank. Eine leichte Hitze färbte seine hundertjährigen Wangen, sein Atem ging knapp und er hütete das Bett, halb sitzend, von Kissen gestützt, daß er leichter atme. Es war nicht nötig, daß Naphtali lief, um Joseph in Kenntnis zu setzen, denn dieser hatte einen Meldedienst eingerichtet zwischen Gosen und seiner Stadt, durch den er täglich zweimal am Tage Nachricht erhielt über des Alten Befinden. Als ihm nun angesagt wurde: »Siehe, dein Vater ist an leichter Hitze erkrankt«, rief er seine beiden Söhne vor sich und sagte zu ihnen in kanaanäischer Zunge:
    »Macht euch fertig, wir werden hinabfahren in die Niederungen zu einem Besuch eures Großvaters von meiner Seite.«
    Sie antworteten:
    »Wir haben aber eine Abrede zur Gazellenjagd in der Wüste, Herr Vater.«
    »Habt ihr gehört, was ich gesagt habe«, fragte er auf ägyptisch, »oder habt ihr es nicht gehört?«
    »Wir freuen uns sehr, dem Großvater einen Besuch zu machen«, erwiderten sie und ließen ihre Freunde, die reichen Stutzer von Menfe, wissen, sie könnten aus familiären Gründen nicht an der Jagd teilnehmen. Sie selbst waren auch Stutzer und Kinder der Hochkultur, manikürt, coiffiert, parfümiert und gepinselt, mit Fußnägeln wie aus Perlmutter, gewickelten Taillen und wallenden Buntbändern vorn, seitlich und hinten den Schurz hinab. Schlimm waren sie beide nicht, und aus ihrem Stutzertum, das sich gesellschaftlich von selbst ergab, ist ihnen kein Vorwurf zu machen. Nur allerdings war Menasse, der Ältere, sehr hochnäsig, da er sich auf sein Sonnenpriester-Geblüt von seiten der Mutter noch mehr zugute tat, als auf den Ruhm seines Vaters. Ephraim, den Jüngeren, dagegen, mit den Rahelsaugen, muß man sich harmlos lustig denken und eher bescheiden, soweit eben, als Bescheidenheit sich aus Lustigkeit ergibt; denn Hochmut lacht ja nicht gern.
    Die beringten Arme einander um die Schultern geschlungen, der Standsicherheit wegen im springenden Wagen, fuhren sie hinter dem Vater her nach Norden hinab gegen das Mündungsgebiet. Mai-Sachme begleitete jenen, damit seine ärztlichen Kenntnisse dem Kranken allenfalls möchten zugute kommen.
    Jaakob dämmerte in seinen Kissen, als Damasek-Eliezer ihm das Herannahen seines Sohnes Joseph verkündete. Alsbald raffte der Alte sich zusammen, ließ sich aufsetzen im Bett von dem immer seienden Großknecht und war außerordentlich bei der Sache. »Haben wir Gnade gefunden«, sagte er, »vor meinem Herrn Sohn, daß er uns besucht, so dürfen wir uns einer geringen Hitze wegen nicht gehen lassen.« Und er lüftete den Silberbart und ordnete ihn auf seiner Brust.
    »Auch die Jungherren sind mit ihm«, sprach Eliezer.
    »Gut, gut, das ist es«, erwiderte Jaakob und saß aufrecht, zum Empfange bereit.
    Nicht lange, so trat Joseph herein mit den

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