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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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keineswegs mit Schwert und Bogen erobert hatte. Wie kam auch Jaakob, der Zeltfromme, zu Schwert und Bogen? Er hatte nie solche Geräte geliebt noch gehandhabt und es seinen Söhnen unauslöschlich verübelt, daß sie sie früher gar wild gehandhabt hatten zu Schekem, – wodurch es eben sehr zweifelhaft geworden war, ob der damals getätigte Landkauf heute noch Gültigkeit hatte, und ob Jaakob über dies Schulterstück noch verfügen konnte.
    Er tat es jedenfalls in seiner Schwäche, und Joseph dankte ihm, die Stirne auf des Vaters Händen, für das Sondervermächtnis, gerührt von dem Liebesbeweise und zugleich von der wunderlichen Erscheinung, daß gerade die Schwäche den Greis dahin verwirrte, sich in der Rolle des Kriegshelden zu sehen. Joseph urteilte, das nahe Ende zeige sich darin an, und beschloß, für diesmal nicht mehr nach Menfe zurückzukehren, sondern im nahen Pa-Kôs den Ruf zur letzten Versammlung abzuwarten.
    Die Sterbeversammlung
    »Versammelt euch, ihr Kinder Jaakobs! Kommet zuhauf und scharet euch um eueren Vater Israel, daß er euch künde, wer ihr seid und was euch begegnen wird in zukünftigen Zeiten!«
    Das war der Ruf, den Jaakob aus dem Zelte ergehen ließ an seine Söhne, als er die Stunde für gekommen erachtete, daß er seine Sterbereden halte. Denn er hatte sein Leben in seiner Hand und wußte genau, was ihm an Kräften blieb, daß er es verausgabe an die Sterbereden und dann stürbe. Durch Eliezer, seinen Großknecht, den Alt-Jungen, ließ er den Ruf ergehen; ihm sagte er ihn vor und ließ ihn sich mehrmals wiederholen, damit Damasek ihn nicht nur ungefähr, sondern nach der genauen Wortfügung wüßte. »Nicht ›kommet herbei‹«, sagte er, »sondern ›kommet zuhauf‹, und nicht ›stellt euch um Israel‹, sondern ›scharet euch‹! Nun wiederhole das ganze noch einmal und vergiß nicht des Doppelworts ›Wer ihr seid und was euch begegnen wird‹! – Gut denn endlich! Ich fürchte, ich habe an deine Belehrung zuviel von meinen Kräften gewendet. So eile!«
    Und Damasek zog sein Kleid unter den Gürtel und lief nach allen Richtungen, so schnell, daß es schien, als springe die Erde ihm entgegen, legte die hohlen Hände an den Mund und rief: »Schart euch zuhauf, ihr Söhne Israels, und versammelt euch, wie ihr seid, daß euch Gutes begegne von Tag zu Tage!« Zu den Siedelungen lief er, auf die Felder und zu den Hürden, den königlichen, über die die Fünfe gesetzt waren, und zu den anderen, lief hin und her durch Ried und Pfütze, daß trübes Wasser ihm die hageren Beine bespritzte; denn es war in der Zeit des Rückganges, am fünften Tage des ersten Monats der Winterzeit, was wir Anfang Oktober nennen, und hatte im Delta nach langer Späthitze beträchtlich geregnet. Immer rief er durch seine Hände über das Land und in die Wohnungen hinein: »Wer ihr seid, versammelt euch, Söhne Jaakobs, und begegnet euch um ihn zuhauf für künftige Zeiten!« Auch ins nahe Pa-Kôs lief er, wo Joseph beim Schulzen abgestiegen war, sodaß vor dem Hause Wachen standen, und rief schändlich ungenau die Worte aus, die Jaakob sorgfältig bestimmt und geordnet hatte für immer und ewig. Aber ihre Wirkung taten sie trotz der Entstellung und fanden bestürzten Gehorsam überall. Auch Pharao’s Freund machte sich eilig auf zum Haus seines Vaters, mit ihm Mai-Sachme, sein Majordom, dazu viele Neugierige aus den Gassen, die auf den Ruf gehört hatten und lungern wollten.
    Die Elfe erwarteten den Bruder vorm Eingang zu dem Gehänge. Er grüßte sie mit angemessener Miene, traurig-bedeutsam, küßte Benjamin, den kleinen Mann von siebenundvierzig, und sprach noch eine kurze Weile leise mit ihnen hier draußen über des Vaters Befinden und darüber, daß er offenbar zu scheiden und seine Sterberede zu halten gedächte. Sie antworteten ihm mit niedergeschlagenen Augen und etwas verklemmten Mündern, denn, wie gewöhnlich, fürchteten sie sich vor des Alten Ausdrucksmacht und vor der Sterbensstrenge des weihevollen Vater-Tyrannen, die ihnen wahrscheinlich nichts ersparen würde, und dachten alle bei sich das Menschenwort: »Um des Himmels willen, das kann ja gut werden!« Die starken Gesichtsmuskeln Re’ubens, des achtundsiebzigjährigen Herdenturms, waren bärbeißig angezogen. Er war mit Bilha dahingeschossen, das würde er bestimmt höchst ausdrucksvoll zu hören bekommen anläßlich der Feierlichkeit, und wappnete sich dagegen. Da waren Schimeon und Levi, die hatten als junge Leute Schekem

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