Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
unsere Macht, unsern Einfluß nicht zu deutlich zeigen. Es reizt nur den Neid, und dazu sind wir nicht stark genug, dazu sind wir zu vereinzelt.« Josefs Gesicht war froh gewesen, als er dem Johann von seinen Zweifeln und Hoffnungen berichtete, jetzt erlosch es. Johann sah es, beharrte nicht, sondern fügte hinzu: »Aber wenn Sie für Ihren Matthias etwas erreichen wollen, dann müssen Sie unter allen Umständen absehen von Ihrem Plan, im Frühjahr nach Judäa zu gehen. Mich soll es freuen«, fügte er artig hinzu, »Sie länger in Rom zu wissen.« Josef sagte sich, daß Johann ein guter Freund war und mit seinen beiden Einwänden recht hatte. Wenn er für den Matthias einen der Herren des Palatin als Freund und Gönner fand, dann mußte er natürlich länger in Rom bleiben; auch wenn er ein neues Haus bezog, hatte das nur Sinn, wenn er sich auf einen längeren Aufenthalt einrichtete. Aber im Grunde war er froh, seine Reise nach Judäa, seine Rückkehr nach Judäa hinauszuschieben, und es war ihm dafür jeder Vorwand recht; denn seltsamerweise schien ihm, als bedeute diese Rückkehr nach Judäa den endgültigen Verzicht auf alles, wozu noch ein wenig Jugend gehörte, als erkläre er sich durch diese Rückkehr selber und für immer zum alten Mann. Und was die andere Warnung des Johann anlangte, daß es unklug sei, äußern Glanz und äußere Ehren anzustreben, so hatte der Freund damit wohl recht. Aber Josef hatte das Leuchten gesehen auf dem Gesicht seines Jungen, er konnte es dem Matthias nicht antun, jetzt von dem Plan abzustehen, dem Matthias nicht und sich selber nicht.
Das neue Haus war rasch gefunden, und Josef machte sich daran, es einzurichten. Eifrig half ihm Matthias, er hatte tausend Vorschläge. Josef war jetzt viel in der Stadt zu sehen, er suchte Gesellschaft. Während er früher Monate allein und abgeschlossen verbracht hatte, zeigte er sich jetzt beinahe täglich im Kreise des Marull, des Regin. Wohlwollend, ein wenig spöttisch und ein klein wenig besorgt, beobachteten seine Freunde seine Veränderung. Matthias liebte und bewunderte ihn noch mehr.
Josef sprach mit Claudius Regin über die Bedenken des Johann. Regin fand, Johann sei ein kluger Mann, aber er könne sich in die neuen Zeiten nicht mehr recht einfühlen und nicht in eine jüdische Jugend, die den Tempel nicht habe brennen sehen, für die der Tempel und der Staat nichts seien als eine historische Erinnerung, ein Mythos. Er, Regin, sei in einem gewissen Sinn ein Beispiel dafür, daß einem Juden auch höchst sichtbare Macht nicht immer zum Unheil ausschlagen müsse. Josef hörte dieses Beispiel nicht sehr gern; unter keinen Umständen hätte er gewollt, daß sein Matthias sein Judentum so weit abtue wie Claudius Regin. Immerhin ließ er sich von ihm gern in seinem Vorhaben bestärken und hörte gierig zu, als ihm Regin mitteilte, er habe bei einigen Wohlwollenden auf dem Palatin herumgehorcht, und obzwar eigentlich alle zunächst verblüfft seien über die Kühnheit der Idee, einen Judenjungen zum Pagen der Kaiserin zu machen, so hätten am Ende gleichwohl die meisten gefunden, daß die Neuheit der Idee ihre Ausführbarkeit nicht beeinträchtige. Er, Regin, sei also der Meinung, man könne jetzt ans Werk gehen. Er schlug dem Josef vor, das Fest der Toga-Anlegung des Matthias öffentlich zu feiern, auf römische Art, wiewohl das nicht üblich sei, und, um allen hämischen Anmerkungen von vornherein die Spitze abzubiegen, solle Josef doch die Kaiserin, die ihm nach wie vor wohlwolle, zu diesem Fest einladen. Es sei sträflicher Leichtsinn gewesen, daß Josef die Gunst, die ihm Lucia gelegentlich bezeigt, so wenig ausgenützt habe. Jetzt aber habe er gute Gelegenheit, das Versäumte nachzuholen. Er möge der Kaiserin sein neues Buch bringen und sie bei diesem Anlaß zum Feste des Matthias einladen. Das Schlimm ste, was ihm begegnen könne, sei eine Ablehnung, und er habe schließlich schon schlimmere Niederlagen eingesteckt.
Das leuchtete dem Josef ein, ja ihn lockte der Vorschlag. Er war ein Mann in den späten Fünfzig, es war nicht mehr wie damals, da er, gespannt in jeder Fiber, zu der Kaiserin Poppäa gegangen war, aber er war mehr erregt als seit langer Zeit, als er jetzt vor Lucia trat, sein Buch in der Hand.
Claudius Regin hatte geschickt vorgearbeitet, er hatte Lucia unterrichtet von Josefs Veränderung. Trotzdem war sie überrascht, wie er jetzt mit seinem nackten, verjüngten Gesicht vor ihr erschien. »Sieh an,
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