Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
frische und anmutige Art, wie er es vorbrachte, als etwas Besonderes.
Josef war hergekommen, um dem Jungen einen Platz im Hofdienst zu erringen, er billigte die Pläne seines Sohnes, dessen Ehrgeiz. Was des Josef Väter gewesen waren, Gelehrte, Priester, Schriftsteller, Intellektuelle, und was er selber war, dazu taugte der Junge nicht, und das war dem Josef recht. Da er selber sich dafür entschieden hatte, nur das Kontemplative seines Wesens ausreifen zu lassen, da er den so oft gespürten Willen zur Tat in sich selber gewaltsam unterdrückt hatte, warum sollte er nicht jetzt dem Jungen für diesen Tätigkeitsdrang freies Feld und jede Möglichkeit schaffen? So hatte er sich’s gesagt, so war es recht und vernünftig. Trotzdem bedauerte er jetzt, wie er den Jungen so platt und nett über die Universalgeschichte daherreden hörte, daß ihm der Sinn für das Werk des Vaters versagt war. Sogleich aber tröstete er sich wieder über diesen Mangel, als er wahrnahm, wie der Junge dem Claudius Regin gefiel. Und gleichzeitig in einer Art naiver Berechnung sagte er sich, daß gerade die natürliche Frische und Unverdorbenheit seines Sohnes auf dem Palatin Wirkung tun werde.
Man ging zu Tisch. Regin hatte einen berühmten Koch aus Alexandrien. Matthias aß mit gutem Appetit, Regin selber raunzte, daß er gehalten war, mit magerer Diät vorliebzunehmen. Man schwatzte viel, es war eine lustige, harmlose Unterhaltung, und Josef freute sich, wie schnell sein Junge auch diesen alten, schwierigen, kauzigen Regin gewann.
Nach dem Essen, ohne viele Umschweife, sagte Regin: »Es ist klar, mein Josef, daß Ihr Matthias die Lehrzeit auf dem Palatin durchmachen muß. Wir müssen darüber nachdenken, wem wir ihn als Pagen anvertrauen sollen.« Das bräunlichwarme Gesicht des Knaben rötete sich vor Freude. Josefs Freude aber, wenngleich er’s sich so gewünscht hatte, war nicht ungetrübt, denn wenn jetzt Matthias als junger Freund ins Haus und in den Kreis eines großen Herrn tritt, dann wird er, Josef, sogleich wieder von ihm getrennt werden, nachdem er ihn so kurze Weile für sich allein gehabt hat.
Regin, auf seine energische Art, stellte bereits praktische Erwägungen an. »Der Junge könnte in mein Haus eintreten«, meinte er, »er würde da nicht schlecht fahren, und lernen könnte er bei mir auch allerhand. Es gibt viele und merkwürdige Geschäfte, die der Kaiser mir anvertraut, und Ihr Matthias würde rasch erkennen, daß auf dem Palatin häufig der krümmste Weg der schnellste ist. Aber ich bin doch wohl schon ein zu alter Knacker. Oder was meinst du selber, mein Junge?« – »Ich weiß es nicht«, antwortete offen lächelnd Matthias. »Es kommt etwas überraschend, wenn ich frei sprechen darf. Ich glaube schon, daß wir uns vertragen würden, und Ihr Haus und Park sind einfach großartig, besonders die Pfauen.« – »Na ja«, antwortete Claudius Regin, »das hat allerhand für sich, aber ausschlaggebend ist es nicht. Käme als zweiter Marull in Frage«, überlegte er weiter. »Von dem könnte er einiges Wertvolle lernen, was ich ihm nicht beibringen kann, zum Beispiel Manieren. Im übrigen ist Marull der gleiche alte Knacker wie ich und ebenso unrömisch. Es muß ein Freund der Ersten Vorlassung sein«, erwog er, »nicht so alt und kein Judenfeind. Das sind drei Eigenschaften, die sich schwer zusammenbringen lassen.«
Matthias hörte still zu, wie da über sein künftiges Schicksal beraten wurde, seine lebendigen Augen gingen vertrauensvoll von einem der beiden Männer zum andern. »Wann wollen Sie ihn die Männertoga anlegen lassen?« fragte unvermittelt Regin. »Wir können noch zwei, drei Monate warten«, gab Josef Auskunft, »er ist noch keine fünfzehn.« – »Er sieht männlich aus für sein Alter«, anerkannte Regin. »Ich hätte da nämlich eine Idee«, erklärte er weiter, »aber man müßte etwas Zeit dafür haben, man müßte sondieren, Vorbereitungen treffen, man dürfte die Geschichte nicht überstürzen.« – »Woran denken Sie?« fragte gespannt Josef, und auch des Matthias Augen, so wohlerzogen stumm er sich verhielt, hingen gespannt an des Regin Lippen.
»Man könnte vielleicht die Kaiserin dazu bewegen, daß sie ihn in ihren Hofstaat aufnimmt«, sagte gleichmütig mit seiner hellen, fettigen Stimme Regin. »Unmöglich«, schrak Josef zurück. »Nichts ist unmöglich«, wies ihn Regin zurecht, und er verfiel in ein mürrisches Schweigen. Doch nicht lange, dann belebte er
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