Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
sieh an«, sagte sie, »jetzt ist die Büste verschwunden, dafür hat sich der Mann wieder in die Büste verwandelt. Ich freue mich darüber, mein Josephus.« Ihr helles Antlitz, frisch, wiewohl ihre erste Jugend vorbei war, strahlte offen ihre Freude wider. »Ich freue mich, daß nun das Buch da ist und daß der frühere Josephus wieder da ist. Ich habe mir den ganzen Vormittag für Sie freigelassen. Wir müssen endlich einmal ausführlich schwatzen.«
Den Josef hob dieser warme Empfang. In seinem Innern zwar spottete er ein bißchen über sich selber und dachte, er sei als Alternder der gleiche Tor wie in der Jugend, trotzdem schwoll ihm das Herz beinahe wie damals vor der Kaiserin Poppäa. »Was mir an Ihnen gefällt«, lobte ihn Lucia, »das ist, daß Sie bei aller Philosophie und Kunst im Grunde ein Abenteurer sind.« Das war nun ein Lob, das dem Josef wenig gefiel. Sie aber, sogleich, deutete ihre Worte aus auf eine Art, die ihm schmeicheln mußte. Es wolle wenig besagen, meinte sie, wenn einer zum Abenteurer werde, der aus dem Nichts komme, der also wenig aufgebe. Wenn indes einer, der von vornherein im Besitz großer Güter und Sicherheiten sei, sich das Abenteuer auswähle, so beweise das eine lebendige, unruhige Seele. Solche Abenteurer, nicht von den äußern Umständen, sondern von der Seele her, seien Alexander gewesen und Cäsar. Sie selber spüre etwas in sich von einer Abenteurerin solcher Art, und es bestehe zwischen diesen aristokratischen Abenteurern aller Zeiten eine heimliche Genossenschaft.
Später dann bat sie Josef, ihr aus seinem Buch vorzulesen, und er tat es ohne Umstände. Er las ihr die Geschichten von Jael, Jezabel und Athalia. Auch las er ihr die Geschichten der wilden, stolzen und ehrgeizigen Frauen, die um den Herodes waren und von deren einer er abstammte.
Lucias Anmerkungen überraschten den Josef. Für ihn waren die Menschen, die er darstellte, nicht aus der realen Welt, sie agierten auf einer Bühne, die er selber gebaut hatte, sie waren stilisiert, waren Luftgebilde. Daß Lucia diese seine Menschen so nahm, als wären sie Menschen aus Fleisch und Blut, die mitten unter uns herumgingen, das war ihm etwas Neues, und es störte ihn. Gleichzeitig aber entzückte es ihn, daß er also, ein kleiner Gott, eine lebendige Welt geschaffen hatte. Er und Lucia verstanden sich ausgezeichnet.
Es kostete ihn nicht viel Mut, von seinem Geschäft zu beginnen. Er erzählte von seinem Sohne Matthias, und daß er ihn in nächster Zeit die Toga werde anlegen lassen. »Ich habe gehört«, sagte Lucia, »er soll ein netter Junge sein.« – »Er ist ein großartiger Junge«, erklärte eifrig Josef. »Was für ein stolzer Vater Sie sind!« sagte lächelnd Lucia.
Er lud sie ein, der Feier beizuwohnen, die er aus Anlaß der Bekleidung mit der Toga geben wollte. Über Lucias Gesicht, das jede Regung spiegelte, ging ein kleiner Schatten. »Ich bin gewiß keine Feindin der Juden«, sagte sie, »aber muß es nicht ein wenig befremdlich erscheinen, wenn gerade Sie dieses Fest auf so demonstrative Art begehen? Ich bin in der Herkunft unserer Sitten nicht so beschlagen wie Wäuchlein. Aber ist dieses Fest der Toga-Anlegung nicht vor allem ein religiöser Akt? Ich finde nicht, daß Römertum und der Dienst unserer Götter sich immer decken, aber ich bin ziemlich sicher, daß mit diesem Fest der Toga-Anlegung auch unsere Götter irgendwas zu tun haben. Ich bin die letzte, mich in Ihre Beziehungen zu Ihren Volksgenossen einzumischen, doch ich fürchte, auch Ihre Juden werden nicht sehr glücklich sein, wenn Sie aus diesem Akt soviel hermachen. Ich lehne Ihre Einladung nicht ab«, fügte sie eilig hinzu, als sie wahrnahm, daß sich Josef bei ihren Bedenken verdüsterte, »aber als Ihre Freundin bitte ich Sie, alles gut zu überlegen, bevor Sie sich endgültig entschließen.«
Daß Lucia Einwände ganz ähnlicher Art hatte wie Johann, traf den Josef. Aber sein Entschluß hatte sich mittlerweile nur gefestigt. Er hatte seinen Sohn durch die Bar Mizwah in die jüdische Gemeinschaft aufgenommen, warum sollte er ihn nicht durch einen ähnlichen Akt in die römische aufnehmen, der er nun einmal angehörte? Es schien ihm gleichnishaft, beide Zeremonien glänzend zu machen, und wenn es zu Mißdeutungen Anlaß gab, er hatte erfahren müssen, daß alles, was er tat und ließ, mißdeutet wurde. Auch hatte er dem Matthias dieses Fest nun einmal versprochen, der freute sich kindlich darauf, und Josef
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