Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
er nicht die Stimmen der Freunde, die ihn gewarnt hatten.
Matthias war also fortan im Gefolge der Kaiserin und wohnte die meiste Zeit auf dem Palatin. Es kam, wie Josef es vorausgesehen; Matthias, der junge jüdische Adjutant der Lucia, heiterernst, anmutig, jungmännlich, wie er war, wirkte gerade auf dem Palatin als etwas Besonderes. Man sprach viel von ihm, viele warben um seine Freundschaft, die Frauen ermunterten ihn. Er blieb unbefangen, es schien ihm natürlich, daß es so war, und er machte sich wohl kaum viel daraus; aber er hätte es vermißt, wenn er weniger in Sicht und weniger umworben hätte leben müssen.
Daß Matthias jetzt im Gefolge der Kaiserin war, brachte auch den Josef in viel engere Berührung mit ihr. Lucia hatte seinen Weg schon mehrere Male gekreuzt, nie aber hatte er sie mit so empfänglichen Augen gesehen wie jetzt. Das Strotzende an ihr, ihre heiter-kühne Offenheit, das römisch Helle, Lebendige, das von ihr ausging, ihre reife, frauliche Schönheit, das alles drang jetzt viel tiefer in ihn ein als je zuvor. Er war nun ein alternder Mann, aber mit Erstaunen sagte er sich, daß ihn seit jenen Tagen, da er sich um Dorion verzehrte, niemals das Zusammensein mit einer Frau so bewegt hatte wie jetzt seine Zusammenkünfte mit Lucia. Er verhehlte diese seine Bewegung nicht, und sie ließ sich das gefallen. Vieles, was er, und vieles, was sie sagte, war jetzt vieldeutig, es gingen halbe Worte von einem zum andern, und vieldeutig wurden ihre Blicke und ihre Berührungen. Er geheimnißte allerlei Gleichnishaftes in diese Beziehung hinein. Wenn sie ihn dermaßen anzieht, wenn auch sie nicht unempfänglich ist für ihn, ist das nicht ein Symbol? Zeigt sich da nicht im Bilde die geheimnisvolle Beziehung zwischen Sieger und Besiegtem? Einmal konnte er sich nicht enthalten, zu Lucia eine Andeutung dieser Art zu machen. Doch sie lachte einfach heraus und sagte: »Sie wollen einfach mit mir schlafen, mein Freund, und daß Sie dahinter so tiefe Bedeutung suchen, ist nur ein Beweis dafür, daß Sie selber merken, wie frech Sie im Grunde sind.«
Josef lebte ein heiles, frohes Leben in dieser Zeit. Er genoß, was ihm zuteil geworden, es schien ihm viel. Er sah nun Lucia täglich, sie verstanden einander immer besser, verziehen einer die Schwächen des andern, freuten sich einer an den Vorzügen des andern. Und an Josefs liebem, strahlendem Sohn erfüllte sich alles so, wie er’s sich gewünscht hatte. Hell und rein ging er durch den von so vielen Wirrnissen und Lastern besessenen Palatin, alle Welt liebte ihn, kein Neid und keine Feindschaft kamen an ihn heran. Ja, die Gottheit liebte Josef. Sie zeigte es ihm, da sie ihm jetzt soviel Freuden gab, ehe er endgültig die Schwelle des Alters überschritten hatte und da er noch im Besitz der Kraft war, sie zu genießen.
Man sprach viel von Josef und von seinem Sohne in der Stadt Rom, zu viel, fanden die Juden. Und es kamen zu Josef im Auftrag der Juden die Herren Cajus Barzaarone und Johann von Gischala. Besorgt gaben sie ihm zu bedenken, sein Glück, sein Glanz, wenn er sie gar so sichtbar zeige, würden noch mehr Neid wecken und noch mehr Feindschaft gegen die gesamte Judenheit. An sich schon nehme der Haß und die Bedrückung im ganzen Reiche zu. »Wenn ein Jud glücklich ist«, warnte Johann von Gischala wie schon einmal, »soll er sein Glück in seinen vier Wänden halten und es nicht auf die Straße stellen.«
Allein Josef blieb zugesperrt, trotzig. Sein Sohn Matthias war nun einmal strahlend, und es war die Eigenschaft des Lichts, daß es sichtbar war. Soll er seinen lieben Sohn verstek ken? Er dachte nicht daran. Er war vernarrt in seinen schönen, liebenswerten Sohn und in dessen Glück.
Und er schlug die Worte der Männer in den Wind, und er genoß weiter, was ihm zugefallen war. Er pflückte Erfolge, wo und soviel er wollte. Ein Einziges gab es, was ihn kränkte. Sein Buch, die Universalgeschichte, blieb nach wie vor ohne sichtbare Wirkung.
Und nun erschien gar noch, und überdies wie seine eigenen Werke von Claudius Regin publiziert, der »Jüdische Krieg« des Justus von Tiberias, ein Buch, an dem dieser Justus Jahrzehnte hindurch gearbeitet hatte.
Josefs eigenes Buch über den jüdischen Krieg hatte unter allen Prosawerken der Epoche den stärksten Erfolg gehabt. Das ganze Leserpublikum des Reichs hatte diesen »Jüdischen Krieg« gelesen, nicht nur um des Stoffes, sondern vor allem auch um der reizvollen
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