Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Saal so still, daß man das Knittern des Manuskriptes hörte, das er mechanisch rollte. Da, in das lautlose Schweigen hinein, tönte eine hohe Lache. Es war nicht einmal eine bösartige Lache, dennoch erschreckte sie alle, als wäre der Tod unter sie getreten. Ja, Domitian lachte, er lachte scharf, nicht sehr laut und auch nicht sehr lange, und mit seiner hohen Stimme, auch das nicht sehr laut, sagte er in das weite, tiefe Schweigen hinein: »Interessant, sehr interessant.«
Dieses Lachen aber reizte den Josef zum Äußersten. Da nun doch alles verloren war und da er sicherlich in seinem Leben keine weitere Rezitation wird veranstalten können, warum soll er dem hier versammelten Rom nicht auf großartige und jüdische Art zeigen, wie einer abgeht?
»Und zum Abschluß«, rief er in den totenstillen Saal, »lese ich Ihnen, mein Herr und Gott Domitian, und Ihnen, meine sehr ehrenwerten Gäste, eine Ode, die den Sinn meiner Universalgeschichte wiedergibt, die Gemütsverfassung, aus der heraus das Werk geschrieben ist, und die Weltanschauung, welche die Geschichte des jüdischen Volkes beherrscht. Es sind keine reinen Verse, sie sind gestammelt in einer Sprache, welche nicht die Muttersprache des Autors ist, aber ich denke, die Klarheit ihres Inhalts hat darunter nicht gelitten.« Und er
sprach die Verse des Psalmes vom Mut, er verkündete:
»Darum sag ich:
Heil dem Manne, der den Tod auf sich nimmt,
Sein Wort zu sagen, weil das Herz ihn drängt ...
Darum sag ich:
Heil dem Manne, den du nicht zwingen kannst, Zu sagen, was nicht ist.«
Erstarrt hörten die Tausende, wie es der Jude wagte, Rom und seinem Kaiser ins Antlitz zu erklären, daß er es verneinte. Erstarrt schauten sie auf ihren Kaiser, der reglos zuhörte. Reglos saßen sie alle, als Josef geschlossen hatte, eine halbe Minute blieb die ganze Versammlung reglos, reglos der sehr blasse Josef auf seiner Bühne, reglos der Kaiser auf seinem erhöhten Sitz.
Dann, wieder in das ungeheure Schweigen hinein, klang die Stimme Domitians: »Was meinst du, Silen, mein Narr? Das ist eine Ode, für die du mir zuständig scheinst.« Und Silen, auf seine gewohnte Art den Kaiser nachahmend, die Arme eckig nach hinten, antwortete: »Interessant, was der Mann da oben gesagt hat, eine sehr interessante Auffassung.«
Dann, immer unter lautlosem Schweigen, wandte sich Domitian an die Kaiserin. »Sie stellten mir in Aussicht«, sagte er, »wenn ich der Rezitation unseres Juden Josephus beiwohnte, würde ich mancherlei Belehrung finden. Ich habe sie gefunden.« Und: »Kommen Sie mit, meine Lucia?« fragte er. Doch Lucia, die Stimme etwas gepreßt, erwiderte: »Nein, mein Herr und Gott Domitian, ich bleibe noch.« Der Kaiser aber grüßte sie zeremoniös, und, gefolgt von seinem Narren, durch die lautlos bis zur Erde sich neigenden Hörer ging er dem Ausgang zu.
Schnell leerte sich der Saal. Um Josef blieben nur seine Nächsten. Bald gingen auch diese. Zuerst Cajus Barzaarone, dann Marull, dann Johann von Gischala. Schließlich war Josef allein mit Lucia, Claudius Regin und Matthias.
Die Fülle und Straffheit des Willens, die Josef in sich hatte aufbringen müssen, um diese Stunde zu überstehen, war noch nicht verbraucht. Er hatte die Kraft, zu seinen Freunden gelassen, ja mit einem kleinen Lächeln zu sagen: »Und doch war es gut, daß wir die Rezitation veranstaltet haben.« Regin schaute nach dem leeren Platz, auf dem ehemals die Büste des Josef gestanden war. »Eine neue Büste werden Sie hier wohl kaum bekommen«, meinte er, »aber gelesen wird das Buch jetzt wohl werden.« – »Es war eine großartige Stunde«, sagte naiv Matthias. »Und daß die Leute dich nicht recht verstanden haben, macht nichts. Bei solchen Rezitationen«, sagte er altklug und sentenziös, »hat wohl immer nur das Sensationelle, Wohlfeile Erfolg.« – »Sensation hat es ja genug gegeben«, sagte Claudius Regin. Lucia aber sagte: »Ich weiß Mut zu schätzen. Aber was in aller Welt ist eigentlich über Sie gekommen, mein Josephus, daß Sie es plötzlich unternommen haben, allein gegen das ganze Römische Reich Attacke zu reiten?«
»Ich weiß selber nicht, was in mich gefahren ist«, sagte Josef. Seine künstliche Gespanntheit verschwand, müde sank er auf eine der Bänke, er war den Künsten des Gesichtspflegers zum Trotz auf einmal alt. »Ich war verrückt«, versuchte er den andern das Vorgefallene zu erklären. »Wie ich sah, daß der Mann sich vorgenommen hatte,
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