Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
hören. Es war nicht nur die Sensation, welche die Hörer anlockte, sondern jetzt, nachdem der Kaiser durch das Versprechen seiner Anwesenheit kundgetan, daß man gegen diesen Autor nichts mehr einzuwenden habe, waren viele, Römer, Griechen und Juden, froh, öffentlich zu bekunden, daß sie zu diesem Schriftsteller und seinem Werke standen.
Josef bereitete sich auf die Rezitation so sorgfältig vor, wie er sich noch nie auf ein Ereignis vorbereitet hatte. Zehnmal suchte er die Kapitel aus, die er lesen wollte, wählte, verwarf, wählte und verwarf von neuem; politische Gesichtspunkte und literarische wollten bedacht sein. Kühnheit und Zagheit lösten einander ab. Er beriet sich mit seinen Freunden, las ihnen das Ausgewählte vor, zur Probe, wie ein Anfänger.
Auch auf die Vorbereitung seines Äußeren achtete er. Wie ein Schauspieler oder junger Fant überlegte er Tracht und Frisur, erwog, ob die Hand, die das Manuskript zu halten bestimmt war, besser geschmückt sein sollte oder nackt. Auch nahm er Tränke und Mittel, um seine Stimme zu stärken und geschmeidig zu machen. Er wußte nicht, vor wem er mehr glänzen wollte, vor dem Kaiser, vor Lucia, vor den Römern und Griechen, vor den Literaten, seinen Freunden und Nebenbuhlern, vor den Juden, vor Justus oder vor Matthias.
Als dann die Stunde da war, fühlte er sich gut in Form und seiner Sache sicher. Sein Friseur und der Gesichtspfleger der Lucia hatten lange an seinem Kopf herumgearbeitet, er sah männlich aus und eindrucksvoll, seine Augen schauten heftig und doch gesammelt über seine Hörer. Alles war da, was in Rom Ansehen hatte, die Freunde des Kaisers, weil sie natürlich nicht fehlen durften, wenn ihr Herr erschien, seine Feinde, weil sie es für das Eingeständnis einer Niederlage hielten, daß der Kaiser der Vorlesung eines Schriftstellers beiwohnte in einem Raum, aus dem er die Büste dieses Schriftstellers verbannt hatte. Josef also sah sie alle, sah und erkannte sie, Lucia, der er sich tief verbunden fühlte, den Kaiser, seinen mächtigen Feind, den jungen, strahlenden Matthias, den er liebte, die Literaten, wartend auf jede Blöße, die er sich geben könnte. Er sah dieses ganze Meer von hellen und dunklen Gesichtern, er fühlte sich zuversichtlich, er freute sich darauf, diese alle sich, seinem Werk und seinem Glauben zu unterwerfen.
Er las zunächst Kapitel aus der frühen Geschichte seines Volkes, die wärmsten und stolzesten, die er hatte finden können. Er las gut, und was er las, war geeignet, ein unvoreingenommenes Publikum zu interessieren. Seine Hörer waren kaum voreingenommen, aber sie wagten nicht, sich zu äußern. Sie spürten alle, daß jede Äußerung, Zustimmen wie Mißfallen, gefährlich werden konnte, sie wußten, daß die Leute des Norban und des Messalin Augen und Ohren offenhielten und auf die Hände und Münder der Hörer genau achteten. Selbst die Claqueure des Regin hatten Anweisung, sich nicht hervorzuwagen, solange der Kaiser selber kein Zeichen gegeben habe.
Domitian aber gab kein Zeichen. Aufrecht saß er da, kaiserlich angetan, wenn auch nicht in großer Gala, die Arme eckig nach hinten, Ernst und Unbehagen ausströmend. Mit seinen vorgewölbten, etwas kurzsichtigen Augen starrte er bald auf Josef, bald gerade vor sich hin, bald auch schloß er die Augen, dann wieder hüstelte er, er hörte höflich zu, doch konnte es auch sehr wohl sein, daß er sich langweilte.
Der Kaiserin war die Haltung des Domitian ein Ärgernis. Sie betrachtete die Veranstaltung als ihre eigene Sache, und DDD wußte das. Sie wartete gespannt, ob er auch während des Fortgangs der Vorlesung in dieser Haltung verharren werde. In diesem späteren Teil nämlich wollte Josephus aus dem sechzehnten Buch seines Werkes lesen, einige Kapitel, die auf große und höchst spannende Art die Geschichte der Familie des Herodes darstellten. Schade, daß er leider nur den Beginn und die Verwicklung dieser Geschicke wird lesen können, die wirren und seltsamen Beziehungen des Judenkönigs zu seinen Söhnen, wie man diese seine Söhne bei ihm verleumdet und wie er sie festsetzen und vor Gericht stellen läßt. Den Ausgang der Geschichte aber wird er leider nicht lesen können, wie nämlich Herodes diese seine Söhne grausam hinrichtet. Denn wenn Josephus das läse, dann müßte das die Hörer peinlich erinnern daran, wie DDD die Prinzen Sabin und Clemens hat hinrichten lassen. Es war Lucia leid, daß also ihr Josephus das Beste
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