Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
fortlassen mußte, den Schluß seiner Erzählung und seine besonders wohlgeglückte Wertung des Königs Herodes.
Immerhin waren auch die Begebenheiten, die der Hinrichtung vorangingen, hinreißend erzählt, Josef las ausgezeichnet, man sah, wie ihn selber die Dinge, von denen er las, von neuem erregten, und Lucia merkte zu ihrer Genugtuung, mit welcher Anteilnahme man ihm folgte. Nicht aber änderte sich Gesicht und Haltung des Kaisers. Da hielt es Lucia nicht mehr, sie wollte nun nicht länger höfisch und wohlerzogen stumm bleiben. Als Josef einen mit besonderer Verve und dennoch sehr ruhig geschriebenen Absatz beendet hatte, klatschte sie und rief ihm mit ihrer lauten, klingenden Stimme Beifall zu. Einige stimmten ein, auch die Claqueure mühten sich. Doch die meisten schauten auf den Kaiser, und da dieser stumm blieb, blieben auch sie stumm und rührten sich nicht.
Josef hörte die Beifallsrufe, er sah das Gesicht Lucias und das liebevolle, bewundernde, glückliche seines Sohnes Matthias. Allein er sah auch das starre, kühle, ablehnende Gesicht des Kaisers, des Feindes. Er wußte, darauf kam es an und nur darauf, diese Miene in Bewegung zu setzen. Er erkannte, daß der Mann, der Feind, entschlossen war, seine Taktik des Schweigens fortzusetzen, sein Gesicht nicht in Bewegung bringen zu lassen und sein, des Josef, Werk dadurch für alle Zeiten zu begraben. Da faßte ihn ein maßloser Zorn, und er schwor sich: Ich werde es dennoch in Bewegung bringen, dieses Gesicht!
Und er hörte nicht da zu lesen auf, wo er sich’s vorgenommen hatte, sondern er sprach weiter. Mit Betretenheit zunächst, dann mit einer wachsenden Erregung, zusammengesetzt aus Schrecken über soviel Tollheit, Bewunderung für soviel Mut und wilder Spannung, was nun geschehen werde, hörten Lucia, Marull und Regin, hörten diejenigen, die des Josef Buch kannten, ihn seine Erzählung weiterlesen. Mit schönem Ausdruck, in wohlgemeißelten Sätzen, mit verbissener und empörter Ruhe berichtete er, wie der Judenkönig Herodes seine Söhne vor Gericht stellen und grausam hinrichten ließ.
Während er las, wußte er genau, daß es tollkühn war, dem Kaiser eine solche Geschichte in sein Antlitz hinein vor Tausenden von Zuhörern vorzulesen. Um sehr viel weniger gewagter Anspielungen willen war der Philosoph Dio vor Gericht gestellt, der Senator Priscus getötet worden. Allein während sich Josef dies alles sagte, war er gleichwohl höchst gesammelt bei seiner Sache und las wirksam und gelassen. Mit tiefer Befriedigung nahm er wahr, daß jetzt das starre Antlitz sich regte. Ja, es war an dem, des Kaisers Gesicht rötete sich, heftig sog er an der Oberlippe, seine Augen begannen dunkel zu blitzen. Es hob den Josef, ein schwindelnd beseligendes Gefühl trug ihn hoch, um so beglückender, da er wußte, er werde vielleicht im nächsten Augenblick jäh und grausig herunterstürzen. Und er las immer weiter, er las die großartige psychologische Wertung des Herodes, die Moral, die er seiner Darstellung angehängt hat. Vielleicht wird er es mit dem Leben bezahlen müssen, daß er das liest. Aber es ist ein Leben wert, diese Sätze, diesen seinen Glauben, dem römischen Kaiser, dem Feind, ins Gesicht zu sagen.
Immer deutlicher, während er las, wurde er sich bewußt, daß die Parallele zwischen seinem Herodes und diesem Domitian, der da vor ihm saß, nicht zu verkennen war. Bestimmt jetzt gab es unter diesen mehreren tausend atemlos Hörenden keinen, der nicht an die Prinzen Sabin und Clemens dachte. Aber gerade darum las Josef weiter: »Wenn er sich von ihnen gefährdet fühlte, so wäre es wohl Vorsicht genug gewesen, sie gefangenzuhalten oder aus dem Reich zu verbannen, so daß er einen plötzlichen Überfall oder offene Gewalttätigkeit nicht hätte gewärtigen müssen. Sie aber aus Haß und Leidenschaft zu morden, ist das etwas anderes als tyrannische Grausamkeit? Daß der König die Ausführung seines Planes, die Hinrichtung, lange hinausgezögert hat, belastet ihn mehr, als daß es ihn entschuldigt. Denn daß sich jemand in der ersten Aufwallung zu grausamen Handlungen hinreißen läßt, ist zwar schrecklich, doch erklärlich. Wenn er aber eine solche Freveltat erst nach reiflicher Überlegung und nach öfterem Schwanken begeht, so kann das nicht anders gedeutet werden denn als Zeichen eines rohen, blutdürstigen Gemütes.«
Josef war zu Ende, er schwieg, seine eigene Kühnheit verschlug ihm den Atem. Es war in dem großen
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