Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
hübsche, leichte, lockere, elegante, zierliche Worte. Und er stellte ihnen entgegen die wahren Griechen, die großen Griechen, einen Plato und einen Pythagoras, welche die Juden kannten und schätzten; sonst hätten sie nicht Teile ihrer Lehre in ihre eigene aufgenommen.
Und nachdem Josef seine Gegner auf solche Art zerschmettert hatte, setzte er auf alle diese Nein ein großes, heftiges, glühendes Ja. Nichts mehr war da von seinem Weltbürgertum. Alles, was er während der Arbeit an der Universalgeschichte mühsam niedergedrückt hatte, seine ganze, maßlos stolze Liebe zu seinem Volk, ließ er nun einströmen in dieses Buch. Mit heißen Worten pries er den Adel seines Volkes. Es hatte Weisheit, Schrifttum, Gesetze, Geschichte gehabt, lange ehe die Griechen existierten. Es hatte einen großen Gesetzgeber gehabt, tausend Jahre vor Homer und dem Trojanischen Krieg. Keines Volkes Gottesverehrung war reiner als die der Juden, keines Volkes Liebe zur Gesittung tiefer, keines Volkes Schrif ten reicher. Einen Kanon haben wir zusammengestellt aus den Zehntausenden unserer Bücher, nur zweiundzwanzig haben wir auserlesen aus diesen Myriaden, und diese zweiundzwanzig Bücher haben wir zusammengefaßt zu einem Buch. Aber was für ein Buch ist das! Das Buch der Bücher! Und wir sind das Volk dieses Buches. Wie lieben wir es, wie lesen wir es, wie deuten wir es! Das Buch ist der Inhalt unseres Lebens, es ist unsere Seele und unser Staat. Unser Gott manifestiert sich nicht in einer Gestalt, er offenbart sich in Geist, in diesem Buch.
In kaum zwei Wochen hatte er das Werk vollendet. Nun aber, nach dem Hochgefühl des Schreibens, nach dem ungeheuern Rausch der Arbeit, ernüchterte er sich. Furcht überkam ihn, ob er seine Begeisterung so weit in Form habe gießen können, daß sie sich übertrug und andere mit fortriß. Schon war auch der Gedanke an Justus wieder da und das erkältende Gefühl, wie sich denn nun sein »Apion« ausnehme, wenn man ihn dem »Jüdischen Krieg« des Justus gegenüberstelle.
Zaghaft und gespannt brachte er das Buch dem Claudius Regin. Der war offenbar skeptisch infolge der raschen Fertigstellung des Werkes. Faul lag er auf dem Sofa und bat den Josef, ihm vorzulesen. Mit halbgeschlossenen Augen lag er da, nicht sehr geneigt, an das Werk zu glauben, und bald auch unterbrach er den Lesenden und sagte hänselnd: »Unserm Justus wird dieses Buch kaum gefallen.« Ähnliches hatte Josef selber gedacht, während er las, und es kostete ihn Überwindung, weiterzulesen. Allmählich aber packte ihn von neuem der Rausch, der ihn während des Schreibens hochgetragen hatte, und bald auch hatte Regin die Augen geöffnet, und bald auch richtete er sich hoch, und schließlich, nachdem Josef etwa eine halbe Stunde gelesen hatte, riß er ihm das Manuskript aus der Hand, und: »Sie lesen mir zu langsam, lassen Sie mich selber lesen«, sagte er, und während Josef still dasaß, las Regin still weiter, gierig, und: »Schon morgen müssen sich meine Schreiber daranmachen«, sagte er, und mit ungewohnt lebendigen Augen: »Wenn die Juden Olympische Spiele hätten, dann müßten Sie ihnen dieses Buch vorlesen, wie seinerzeit Herodot den Griechen sein Geschichtswerk vorlas in Olympia.« Und das war ein so enthusiastisches Wort, wie es Claudius Regin seit Jahren nicht gesprochen hatte.
Und wie es dem Regin erging, so erging es allen ringsum. Lucia, ergriffen von der Wärme und Heftigkeit des Buches, erklärte: »Ich weiß nicht, ob alles stimmt, was Sie da vorbringen, mein Josephus, aber es hat den Klang der Wahrheit.« Matthias war hingerissen. Jetzt hatte er das Material, das er so bitter brauchte, um aufzukommen gegen Caecilia und ihren Apion. Jetzt wußte er, warum er so stolz war auf sein Volk, auf seinen Stamm, auf seinen Vater. Alle Welt, Freunde und Feinde, wurden gepackt von dem Buch, es wurde zu einem größern Erfolg, als ihn Josef je gehabt hatte. Unbestritten jetzt war Flavius Josephus der erste Schriftsteller der Epoche.
Es gab Stunden, da Josef dieser Erfolg schal vorkam. Er vermied es, den Justus zu sehen, aber manchmal, wenn er allein war, des Nachts vor allem, setzte er sich mit Justus auseinander. Er hörte den Hohn des Justus und er suchte sich zu rechtfertigen und er wies hin auf die Begeisterung der andern. Aber was nutzte ihm das? Er hatte seine Sendung verraten. Er wußte: Recht hatte Justus, und unrecht hatten diejenigen, die ihm zujubelten. Und er fühlte sich müde, müde der
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