Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
gemacht. Sich rötend, eifrig, brachte sie diese Argumente gegen Matthias an, sie verhöhnte ihn als Angehörigen eines rohen, schmutzigen, tierisch abergläubischen Stammes.
Als Matthias dem Josef von diesem Disput erzählte, traf diesen die läppische Angelegenheit über Erwarten tief. Nicht nur verdroß ihn, daß er wieder einmal an einem Symptom zu sehen bekam, wie er durch seinen tollkühnen Streich auch die Laufbahn seines Sohnes behindert hatte, sondern noch mehr erregte ihn, daß er wieder einmal auf Apion stieß. Mit Grimm erinnerte er sich jener Stunde mit Phineas, da er diesen, den Lehrer seines Paulus, sinnlos angebellt hatte um der Argumente des Apion willen. Als ihm jetzt Matthias von den Worten des Mädchens Caecilia berichtete, machte ihm sein Haß diesen toten Apion plötzlich von neuem lebendig. Es war viele, viele Jahre her, daß er ihn gesehen hatte, er war sehr jung gewesen damals und Apion Rektor der Universität Alexandrien. Deutlich jetzt, als wäre es erst heute morgen gewesen, erinnerte sich Josef, wie der Mann dagestanden war, eitel, gebläht, bedeutungsvoll, in seinen weißen Schuhen, dem Kennzeichen der Judenfeinde von Alexandrien. Immer wieder während seines wechselvollen Lebens war Josef auf diesen Apion gestoßen, alle Feinde der Juden schöpften aus dem vergifteten Brunnen dieses Apion. Das Bild des geckenhaften, niederträchtigen, eingebildeten und höchst erfolgreichen Gegners, der mit seinem ebenso närrischen wie tückischen Gescheite die ganze Welt erfüllte, wurde Josef zum Gleichnis aller Judenfeindschaft überhaupt, ja zum Gleichnis aller triumphierenden Dummheit in der Welt, und wie dem Sokrates war ihm das Dumme mit dem Bösen identisch.
Im Arbeitszimmer seines neuen, hübschen, hellen Hauses ging er auf und nieder und setzte sich auseinander mit Apion, seinem Gegner, der das Maul so voll und den Schädel so leer hatte. Wie anders war dieser Josef, der jetzt, erfüllt von seinem Gotte, seine neue Arbeit vorbereitete, wie anders jener, der die Universalgeschichte geschrieben hatte. Vielleicht war das Ziel, das er sich mit der Universalgeschichte gesteckt, ein höheres gewesen, aber dieses Ziel war eben nur der Vernunftgläubigkeit eines Justus erreichbar. Er, Josef, hatte sich vermessen, als er es anstrebte. Ihm lag das nicht, und er hatte alles falsch gemacht. Jetzt hat er sich selbst erkannt, jetzt ist er weise geworden, jetzt gibt er keinen Strohhalm mehr für dieses erhabene Ziel. Er kehrt zurück zu dem Weg, von dem er ausgegangen. Er hat viele Jahre vertan, aber noch ist es nicht zu spät. Er ist von neuem jung geworden mit seinem Matthias.
Mit Erleichterung fühlte er die schwere Bürde der kritischen Verantwortung von sich abfallen, die beengende Pflicht, alle Gefühle zu sieben durch Vernunft. Er dachte an Justus, und siehe, nichts mehr war in ihm von dem beißenden Gefühl der Unterlegenheit, von dem liebenden Haß auf den Größeren. Nach keinem Richter wird er jetzt schielen, nach keiner Nachwelt. Er wird sich gehenlassen. Er wird schreiben, wie es ihm ums Herz ist, nicht objektiv, sondern mit Eifer und Zorn, mit dem ganzen Grimm, den seine Gegner verdienen, ihre Hoffart, ihre Leichtfertigkeit, ihre Dummheit. Er wird es ihnen geben, diesem toten Apion und denen vor und nach ihm, die ihren billigen Spott ausgegossen haben über das Hohe und Heilige, das ihnen Unerreichbare, über Jahve und sein Volk.
Und er setzte sich hin und schrieb sein Buch »Gegen Apion oder Über die alte Kultur der Juden«. Welch ein Wohlgefühl war es, aus der befreiten Brust das Lob des eigenen Volkes zu singen, ohne den schnürenden Panzer der Wissenschaftlichkeit. Nie in seinem Leben hatte Josef eine höhere Lust verspürt als in den zwei Wochen, da er, in einem Zug, die fünftausend Zeilen dieses Werkes niederschrieb. Er sah sie vor sich, die Weißbeschuhten, die Judenfeinde, diese vergriechten Ägypter, die Manetho und Apion. Groß und aufgeblasen standen sie da, und er hieb sie zusammen, sie und ihre Argumente, in Stücke und in Staub hieb er sie, bis nichts mehr von ihnen da war. Die Worte flogen ihm zu, daß er sich ihrer Fülle kaum erwehren konnte, und während er seine glänzenden Kapitel niederschrieb, dachte er an die ägyptische Griechin Dorion und an seinen Sohn Paulus, und es waren die Apion und Manetho, die ihm die beiden entfremdet hatten. Mit bitterem Witz machte er sich lustig über diese Griechlein, die Zwerge, die über nichts verfügten als über
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