Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
soviel war klar: es war ein Trick des Gottes Jahve, daß er gerade diesen, mit soviel Reizen ausgestatteten jungen Menschen jenen beiden über den Weg geschickt hatte, die er, der Erzpriester Roms, zu den künftigen Herrschern des Reichs bestimmt hatte.
Matthias war während dieses Mahles an der Tafel des Domitian erfüllt von einem hohen Glück. In ihm standen Erinnerungen auf an Worte, die ihm seine Mutter oft gesagt hatte, wenn sie den Josef rühmte: er sei der Tischgenosse dreier Kaiser. Jetzt war er, Matthias, Tischgenosse dreier Kaiser, er, dem das Mädchen Caecilia gesagt hatte, er gehöre aufs rechte Tiberufer und werde als Hausierer enden.
Des Matthias Glück machte ihn noch strahlender als sonst. Er wirkte durch sein bloßes Wesen, durch sein lebendiges Gesicht, durch seine Bewegungen; seine junge und doch so männliche Stimme gewann alle, sowie er nur den Mund auftat. Der Kaiser wandte sich an ihn mehr als an die andern. Es waren aber in Domitian, während er mit dem jungen Günstling seiner Lucia sprach, Gefühle und Gedanken von mancherlei Art. Er fand Wohlgefallen an der natürlichen Anmut des Matthias, er hatte an ihm das gleiche Vergnügen wie etwa an der täppischen Possierlichkeit junger wilder Tiere in seinen Käfigen. Da er ein guter Beobachter war, entging es ihm auch nicht, wie sehr der Junge an Lucia hing, und er spürte ein bewußt lächerliches, doch darum nicht minder starkes Triumphgefühl bei dem Gedanken, daß er, Domitian, mit dieser Lucia schlief und nicht der junge, liebenswerte Schützling des Gottes Jahve.
Quintilian legte es darauf an, dem Kaiser die lateinische Bildung seiner Zöglinge vorzuführen. Die jungen Prinzen hielten sich wacker, ohne besondere Fähigkeiten an den Tag zu legen. Auch Matthias zeigte keinerlei Eigenheit, aber er brachte, was er zu sagen hatte, auf bescheidene und angenehme Art vor und bewies, daß er durchtränkt war von römischer Bildung. »Eines klugen Vaters kluger Sohn«, anerkannte Domitian. Die Zwillinge übrigens verhehlten auch bei Tafel nicht, daß sie zu Matthias als zu einem überlegenen, begnadeten Wesen aufschauten, und das war für den Kaiser eine Art grimmiger Bestätigung. So war also seine Furcht begründet: der fremde Gott Jahve bediente sich mit tiefer List dieses Matthias, um sich wurmgleich in die Seelen der Jünglinge einzugraben.
Dann endlich nach aufgehobener Tafel war Lucia mit dem Kaiser allein. Sie waren in seinem Arbeitskabinett, das er mit dem spiegelnden Metall hatte verkleiden lassen. Sie sah es zum erstenmal. »Was hast du da für scheußliche Spiegel?« fragte sie. »Es ist«, erwiderte er, »damit ich auch über dem Rücken Augen habe. Ich habe viele Feinde.« Er schwieg ein wenig, dann fuhr er fort: »Aber jetzt habe ich vorgesorgt. Wenn mir etwas zustößt, dann sind jetzt wenigstens die jungen Löwen da. Ich freue mich, daß ich die Knaben adoptiert habe. Es gehörte Entschluß dazu, die Hoffnung auf Kinder von dir aufzugeben. Aber ich fühle mich leichter, seitdem ich weiß, daß mein Herd nicht erlöschen wird.« – »Du hast recht«, sagte verständig Lucia. »Aber«, stieß sie geradewegs vor, »was mich stört, ist der Gedanke an Domitilla. Ich mag sie nicht, die dürre, pretiöse Frau, aber schließlich ist sie es, die die beiden gebo ren hat. Es gefällt mir nicht, sie auf der wüsten Insel im balearischen Meer zu wissen, während du ihre Söhne zu den Herrschern Roms erziehen willst.«
Domitians Mißtrauen war sogleich rege geworden. Aha, sie wollte eine Bundesgenossin haben, um die Zwillinge für sich zu gewinnen. Er hatte Lust, scharf zu erwidern, doch sie gefiel ihm sehr, und er hielt an sich. »Ich will versuchen, meine Lucia«, begann er, »Ihnen die Gründe darzulegen, aus denen ich Domitilla fernhalten muß. Ich habe nichts gegen sie. Clemens und Sabin waren mir verhaßt, ich fand ihre Trägheit, ihre Lässigkeit, ihr ganzes Gehabe unrömisch, widerwärtig. Mit Domitilla ist es ein anderes. Sie ist eine Frau, niemand verlangt von ihr, daß sie sich im Staatsdienst betätige, auch hat sie etwas Zähes, Kräftiges, was mir eher zusagt. Aber es hat sich nun leider einmal in ihrem verquerten Kopf dieser Aberglaube der Minäer festgesetzt. An sich ist es vollkommen gleichgültig, was Flavia Domitilla glaubt oder nicht glaubt, und ich könnte es hingehen lassen. Aber es geht um die Knaben. Diese Knaben sollen unterrichtet werden von dem Hofmeister, den ich ihnen bestimmt habe, und von
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