Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
sich auf leise Mahnungen, die, ohne den Matthias zu beleidigen, von seinen Zöglingen gleichwohl nicht mißverstanden werden konnten.
      Es ging also zwischen ihm auf der einen, Lucia und Matthias auf der andern Seite ein beharrlicher Kampf um die Seelen der Zwillinge. Dieser Kampf wurde still geführt, unterirdisch. Einmal indes zeigte sich der Gegensatz offen und vor aller Augen.
      Matthias hatte die knabenhafte Freude an der Pfauenfarm, die er auf Lucias Besitz hatte anlegen dürfen, auch auf seine Freunde übertragen. Täglich besuchten die drei das Gehege, sie kannten gut die einzelnen Vögel, sie vergnügten sich damit, dieses oder jenes der Tiere auf die Freitreppe des Hauptgebäudes zu bringen, und sie ergötzten sich an dem Anblick der Vögel, wie sie auf der schönen, weitausladenden Treppe des weißglänzenden Hauses standen und Rad schlugen, als fächelten sie dem besonnten Schlosse Kühlung.
      Eines Tages nun, als Senator Ostorius, ein berühmter Fein
    schmecker, bei Lucia zu Gast war, setzte man ihm eine Pastete aus Pfauenfleisch vor. In Abwesenheit Lucias und der Knaben hatten der Haushofmeister und der Koch den unglücklichen Pfauenwärter gezwungen, ihnen sechs der kostbaren und geliebten Tiere herauszugeben. Die Knaben wüteten. Quintilian suchte ihre Erregung auf ein vernünftiges Maß zu dämpfen. Ein Genuß des Gaumens, fand er, stehe einem Genuß des Auges keineswegs nach, und die laute Trauer um die Schlachtung der Vögel, wie sie Matthias und die Knaben bezeigten, sei unrömisch, sei östliche Sentimentalität. Die Knaben schwiegen, aber sie brachten in Anwesenheit Lucias und Josefs die Angelegenheit nochmals zur Sprache. Josef fand, es sei seltsam, daß ein Römer nicht Scheu davor empfinde, das Fleisch eines Pfaus zu essen, eines Vogels, der doch der Göttin Juno heilig sei. Quintilian erklärte, es beweise wenig Sinn für die Realität, wenn man die Bedeutung einer Sache, die Idee einer Sache, mit der Sache selber verwechsle. Das sei so, wie wenn man das Papier eines Buches für etwas Heiliges hielte, weil große Dinge darauf geschrieben seien. Solche Gleichsetzung sei etwas dem sachlichen Römer völlig Fremdes. Quintilian, der große Redner und ausgezeichnete Stilist, blieb in der Debatte dem Josef überlegen, vor allem da es diesem verwehrt war, sich in seiner Muttersprache auszudrücken; er mußte seine Argumente in einer erst später erlernten Sprache verfechten.
      Nach diesem Zwischenfall hatte sich Quintilian ernstlich überlegt, ob es nicht doch seine Pflicht sei, den Kaiser zu bitten, seine Zöglinge dem Einfluß des jungen jüdischen Herrn zu entziehen, der ihnen nicht förderlich sei; als er, aufatmend, den Brief des Kaisers erhielt mit der Weisung, sich mit den Prinzen auf dem Palatin einzufinden zum Zwecke der Adoption.
      Auch der Lucia bereitete des Kaisers Vorsatz, die Zwillinge zu adoptieren, mehr Freude als Ärger. Zwar war es ihr leid, wenn sie daran dachte, daß die Knaben fortan in der wilden, kalten Luft des Palatin leben sollten, ständig in Gesellschaft des verquerten und römisch rigorosen Domitian. Andernteils freute sie sich ehrlich für die Knaben, daß DDD endlich seinen Entschluß wahr machen und sie so hoch hinaufheben wollte.
      Übrigens wird man die Zwillinge auch auf dem Palatin schwerlich ganz von ihr und von Matthias fernhalten können, und sie wird auch weiter ihr möglichstes tun, die Knaben vor dem starren Lateinertum des Quintilian zu schützen. Davon abgesehen aber wird sie vermutlich eine gute Helferin haben. Denn wenn DDD die Kinder der Domitilla zu seinen Nachfolgern bestimmt, dann wird er sich wahrscheinlich auch bereit finden lassen, die Mutter aus der Verbannung zurückzuholen. Lucia liebte Domitilla ganz und gar nicht, im Gegenteile, die kalte Glut, die Verbissenheit der Domitilla war Lucia unangenehm. Doch Lucia war frei vom formalistischen Rechtsgefühl des flavischen Rom, es wollte ihr nicht gefallen, daß man die Meinungsfreiheit des einzelnen derart einschränkte, und sie war empört über die Vergewaltigung der Domitilla. Was eigentlich hatte Domitilla verbrochen? Sie hatte sich mit der Philosophie der Christen befaßt, das war alles. Sie war also verbannt lediglich aus einer willkürlich-heftigen Laune des Kaisers heraus. DDD muß sie zurückrufen, er muß einfach, sie, Lucia, wird ihn dazu bewegen.
      Sie fühlte die Kraft in sich, ihn dahin zu bringen. Sie war sehr ehrlich von Wesen und konnte sich schwer verstellen.

Weitere Kostenlose Bücher