Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
indes ließ ihn nicht. »Begreifen Sie«, sagte sie leise, mit dringlicher, zutunlicher Stimme, »daß ich mich Ihrethalb ereifere?« Wieder war sie ganz nahe an ihm, und, den Arm um seine Schulter, bat sie: »Wollen Sie nicht Domitilla zurückrufen?«
»Ich will es überlegen«, wich Domitian unbehaglich aus. »Ich verspreche Ihnen, die Sache ernsthaft mit Quintilian zu überlegen.« – »Mit dem Ledernen«, tat Lucia den großen Stilisten unmutig ab. »Überlegen Sie es mit mir!« bedrängte sie ihn. »Aber nicht hier! Hier, zwischen Ihren scheußlichen Spiegeln kann man ja nicht denken. Kommen Sie zu mir! Schlafen Sie bei mir und überlegen Sie sich’s!« Und sie entfernte sich, ohne ihm Zeit zu einer Antwort zu lassen.
Er beschloß, sie vergebens warten zu lassen. Nein, er wird nicht kommen. Sie will Bezahlung von ihm dafür, daß sie sich von ihm beschlafen läßt. Nein, meine Liebe, das denn doch nicht! Er pfeift vor sich hin, ein Couplet, das zur Zeit im Schwang ist. »Auch ein Kahlkopf kann ein schönes Mädchen haben, / Wenn er Geld genug dafür bezahlt.« Norban hat daran gedacht, das Couplet zu verbieten, aber das hat er nicht zugelassen. Nein, er wird nicht zu Lucia gehen.
Eine halbe Stunde später war er bei ihr.
Doch selbst im Bett konnte sie von ihm nur ein verklausuliertes Versprechen erhalten. Wenn Domitilla keinen Versuch macht, sich in die Erziehung der Knaben einzumischen, dann, das sicherte er ihr zu, werde er sie zurückrufen.
Im übrigen hatte Lucia, als sie mit ihm schlief, das Gefühl, den Josef mit ihm zu betrügen, wiewohl oder vielleicht gerade weil sie sich des Josef enthielt. Zum erstenmal in ihrem Leben spürte sie dergleichen. War es der Einfluß des Josef? Das also war die »Sünde«, von der sie soviel gehört hatte. Beinahe freute sie sich, nun also auch diese Dinge, Gewissen, Sünde, kennengelernt zu haben.
Als Lucia nach Bajae zurückgekehrt war, schloß sich der Kaiser in sein Arbeitskabinett ein, um zu überdenken, was er nun gesichert und was er preisgegeben habe.
Er hat sie jetzt in seiner Hut, seine neuen Söhne, welche seine Familie fortsetzen und seinen römischen Gedanken für die Zukunft wahren sollen. Aber ganz gesichert hat er sie noch nicht vor dem Gift Jahves. Er hätte Lucia dieses Versprechen nicht geben dürfen, Domitilla zurückzurufen. Wenigstens hat er Besinnung genug gewahrt, sich Frist zu lassen. Er wird sein Versprechen halten, er steht, der Erzpriester, Eidschützer, zu seinem Wort. Aber erst muß Domitilla sich bewähren. Erst muß sie beweisen, daß sie Ruhe hält, daß sie sich nicht einmischt in die Erziehung seiner jungen Löwen. Das dauert seine Zeit.
Lucia hat Bezahlung gefordert, er hat sie bezahlt für ihre Umarmung, das war schwach und schamlos. »Auch ein Kahlkopf kann ein schönes Mädchen haben, / Wenn er Geld genug dafür bezahlt.« Ingrimmig pfeift er es vor sich hin. Aber trotzdem: Lucia liebte ihn, das war keine Frage. Wenn er an das Feuer dachte, mit dem ihre Umarmungen ihn erfüllt hatten, dann schienen ihm alle andern Frauen talentlose Huren. Lucia aber war lebendig, sie war ein glühender Mensch, sie war die Frau, die zu ihm, dem Gott, gehörte, und sie liebte ihn.
Doch wenn sie auch römisch war durch und durch, ganz heil und unberührt hatte sie sich nicht halten können. Etwas von dem Gift dieses Jahve stak auch in ihr. Wiewohl sie ver mutlich lachte über das meiste, was dieser Jude Josef und sein Sohn ihr einzuflüstern suchten, ihnen ihr Ohr ganz zu verschließen, hatte sie nicht vermocht. Jahve, dieser schlaue, tückische, rachsüchtige Gott, hatte sich aber auch Gesandte ausgesucht, wie sie sich besser nicht denken ließen. Dieser Knabe Matthias! Domitian sah ihn im Geiste vor sich, die brennenden, fliegenden und dennoch heitern und unschuldigen Augen, er hörte seine junge, tiefe Stimme. Wenn er, Domitian, ein Knabe wäre, er selber hätte sich diesem Matthias nicht entziehen können. Geschweige denn die Zwillinge.
Kein einziges Mal zwar, seitdem sie jetzt mit ihm zusammenleben, haben sie ihm von Matthias gesprochen. Aber Domitian ist argwöhnisch; wahrscheinlich hat Lucia ihnen eingeschärft, sie sollten den Namen des Matthias vorläufig nicht erwähnen. Sie rechnet wohl damit, daß sie, erst wieder in der Nähe, die Bande schon werde neu knüpfen können zwischen seinen jungen Löwen und ihrem jungen Juden.
Lucia hängt sehr an ihm, an diesem ihrem Adjutanten Flavius Matthias.
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