Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
überzeugen lassen. Jetzt aber ist es aus, Wäuchlein«, und diesmal klang ihr »Wäuchlein« gar nicht spaßhaft, sondern bitter und höhnisch. »Es ist aus«, wiederholte sie, mit einem kleinen Ton auf dem »ist«. »Sie haben mich oft beschwatzt, Sie sind zäh, das ist mir bekannt, und geben einen Plan nicht leicht auf. Aber ich rate Ihnen, gewöhnen Sie sich an den Gedanken, daß es zwischen uns aus ist. Meine Entschlüsse kommen jäh, aber ich halte daran fest, Sie wissen es. An meinen Worten kann man nicht deuteln wie an den Ihren. Ich gebe Ihnen den Abschied, Domitian. Mich ekelt vor Ihnen. Ich bin fertig mit Ihnen.«
Auf Domitians gerötetem Gesicht blieb, als Lucia gegangen war, noch eine Weile das etwas verlegene, künstlich ironische Feixen, hinter dem er seine Wut zu verbergen gesucht hatte. Seine kurzsichtigen Augen starrten der Entschwundenen nach, in seinen Ohren war noch der Hall ihrer Worte. Langsam dann entspannte sich sein Gesicht, mechanisch pfiff er vor sich hin, die Melodie jenes Couplets: »Auch ein Kahlkopf kann ein schönes Mädchen haben, / Wenn er Geld genug dafür bezahlt.«
Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch, nahm den goldenen Griffel, kritzelte in die Wachstafel, Kreise und Kringel, Kringel und Kreise. »Hm, hm«, sagte er vor sich hin, »interessant, sehr interessant.« Sie verachtete ihn also. Viele hatten erklärt, sie verachteten ihn, aber das waren Worte gewesen, ohnmächtige Gesten; es war undenkbar, daß ein Sterblicher ihn, den Herrn und Gott Domitian, verachtete. Lucia war unter den Lebenden die einzige, der er’s glaubte.
Für einen Augenblick ließ er’s sich ganz ins Bewußtsein dringen, daß sie also von ihm gegangen war, daß sie einen Schnitt gemacht hatte zwischen sich und ihm. Dieser Schnitt tat weh, die Kälte dieses Schnittes drang tief in ihn ein. Dann aber wehrte er sich dagegen, reckte sich auf, bedachte, daß ihre Worte endgültig waren und es also keinen Sinn hatte, dieses endgültig Vergangene zu betrauern. Nur die Folgen waren daraus zu ziehen.
Lucia hatte sich von ihm losgesagt, sie hat sich aus seinem Schutz begeben. Sie war nicht mehr die Frau, die zu ihm gehörte, nur mehr die Feindin, die Hochverräterin. Sie hat ihn veranlassen wollen, Domitilla zurückzurufen, wiewohl offenbar niemand besser wußte als sie, daß diese Domitilla versuchen wird, verderblichen Einfluß auf seine Söhne zu gewinnen. Schon das war Hochverrat. Dann hat sie überdies mit Domitilla gezettelt, hat versucht, ihn zu betrügen, ihm ein Wohlverhalten Domitillas vorzuspiegeln, damit diese dann um so ungestörter aus der Nähe seine Söhne der Staatsreligion abspenstig machen könne. Klarer Hochverrat. Lucia ist eine Verbrecherin, er muß den Blitz schleudern.
Er blieb weiter in Rom.
Auch Lucia blieb in Rom, wiewohl der August dieses Jahres ungewöhnlich heiß war. Vielleicht kehrte sie deshalb nicht nach Bajae zurück, weil ihr das Haus und der Garten verleidet waren, die voll waren von Erinnerungen an Matthias.
Die Prinzen Vespasian und Domitian machten ihr ihre Aufwartung in Begleitung ihres Hofmeisters Quintilian. Die letzten Ereignisse hatten ihm guten Anlaß gegeben, seinen Zöglingen stoische Gedankengänge näherzubringen. »Gelassen wahr den Sinn dir in harter Zeit!« Aber er hatte den Knaben nicht erst lange Vorhaltungen machen müssen, sie waren still geworden, sie klagten nicht, ihre Gesichter waren zugesperrt, streng. Sie waren Söhne der Domitilla mehr als des Clemens, sie waren echte Flavier. Sie hatten erst eine kurze Strecke ihres Weges zurückgelegt, doch dieser Weg war gesäumt mit Toten. Jetzt vertrat Vaterstatt an ihnen ein Mann, der ihnen den wahren Vater und wohl auch den Freund zu den Untern geschickt hatte und die Mutter in die Verbannung. Sie mußten leben an der Seite dieses Mannes und durften nur verstohlen und in halben Worten miteinander reden über das, was ihnen am nächsten lag. Der Mann, der sie Söhne nannte, war der mächtigste Mann der Welt, auf sie selber wartete eine unausdenkbare Fülle von Macht. Sie aber waren machtloser als die Leibeigenen in den Schächten der Bergwerke; denn die durften reden, worüber sie wollten, die durften klagen, sie aber, die Kaisersöhne, gingen umher in einer tiefern Finsternis als die in den Bergwerken, und der höhnische Glanz um sie herum verdeckte nur schlecht diese Finsternis, und kaum im Schlaf durften sie die Maske ablegen, die zu tragen ihnen befohlen war.
Als sie
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