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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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lassen.
      Am späten Nachmittag speiste Domitian mit den beiden Prinzen. Sie waren allein; nicht einmal Quintilian war da, er war bei einem Freunde, um einer Vorlesung beizuwohnen. Die ganze Zeit über hatte sich der Kaiser auch vor den Knaben grämlich und reizbar gegeben, heute aber, bei dieser Mahlzeit, war ihr Vetter und Vater, der Herr und Gott Domitian, guter Laune. Vergnügt unterhielt er sich mit den beiden. Die wußten gar nicht, was alles sie ihm zu verdanken hatten, was alles er getan hatte, um ihnen die Herrschaft leichter zu machen, die sie erwartete.
      Die Knaben saßen da mit ernsten Gesichtern. Er aber wollte heute von ihrem Ernst und ihrer Trübsal nichts merken. Gut, sie hatten in diesen letzten Wochen ihre Mutter verloren. Aber was für eine dünne, dürre, machtlose, halbwahnwitzige Mutter war das gewesen, und was für einen großen, mächtigen, kaiserlichen, göttlichen Vater hatten sie in ihm, der seinen Glanz und seinen Reichtum unter ihre Füße breitete. Sie sollten nicht so dunkle Gesichter machen, und er mühte sich, seine beiden jungen, allzu stillen Tischgenossen aufzumuntern. Nach wie vor hatte er die Fähigkeit, auf eine finstere und gleichwohl fesselnde Art skurril zu sein. Er nahm sich zusammen, er gab sich besonders liebenswürdig, er sprach zu ihnen wie zu Kindern und trotzdem wie zu Männern, er machte es ihnen leicht, höflich zu sein und auf ihn einzugehen, und sie lächelten denn auch höflich zu seinen Scherzen.
      Nein, er war ganz und gar nicht der Gott heute abend, er gab sich menschlich, kameradschaftlich. Er erkundigte sich nach ihren kleinen Liebhabereien. Prinz Domitian erzählte denn auch von der Pfauenzucht in Bajae; erst sehr angeregt, dann aber, auf einen Blick seines Bruders, dachte auch er an Matthias, wurde wortkarger, verstummte. Der Kaiser indes schien es nicht zu merken, er machte sich eine Notiz auf seiner Schreibtafel, und dann erzählte er von seinen eigenen kleinen Launen und Schwächen. »Ich liebe es«, vertraute er ihnen an, »die Menschen zu überraschen, im Guten wie im Bösen. Ich liebe die langsamen Entschlüsse und die blitzhaft darauffolgende Tat. Eine solche Überraschung laß ich mir manchmal viel Zeit und Mühe kosten.« Der Knabe Vespasian sagte: »Und glücken sie immer, Ihre Überraschungen, mein Herr und Vater?« – »Gewöhnlich glücken sie«, antwortete Domitian. Der Knabe Domitian sagte: »Sie sprechen so, mein Herr und Vater, als bereiteten Sie eine neue Überraschung vor.« – »Vielleicht tu ich das«, erwiderte gutgelaunt und schwatzhaft der Kaiser.
      Beide Knaben schauten zu ihm auf, in ihrem Blick war Furcht, Haß und Neugier; zugleich schienen sie geschmeichelt, daß der Herr der Welt so kameradschaftlich mit ihnen sprach. »Seht ihr«, fuhr der Kaiser fort, die Spannung ihrer jungen Gesichter auskostend, »da wundert ihr euch, daß euer Vater euch so ohne weiteres von den Überraschungen erzählt, die er vorbereitet. Dabei ist, was ich tun werde, gar nicht so fernliegend. Wenn es einmal getan ist, werden alle finden, es sei das Nächstliegende gewesen. Und dennoch wird es kommen wie ein Delphin, der plötzlich aus stillem Meer emporspringt.« Da faßte den älteren der beiden, den Knaben Vespasian, ein düsterer Übermut, und er fragte: »Werden an Ihrer Überraschung Menschen sterben müssen, mein Herr und Vater?« Domitian schaute hoch, argwöhnisch, erstaunt über soviel Dreistigkeit. Dann aber lachte er, hatte er doch durch seine eigenen vertraulichen Reden die Frage herausgefordert, und, halb spaßhaft, gab er Bescheid: »Wenn wir Götter spaßen, dann bekommt es manchmal denen nicht gut, mit denen wir spaßen.«
      Als sie von Domitian entlassen waren, sagten sie einer zum andern: »Er sinnt auf einen neuen Schlag, der Schlächter ... Es soll eine Überraschung sein, und doch soll es naheliegen ... Wer bleibt noch, den er morden könnte? ... Wir selber? ... Das wäre weder eine Überraschung, noch liegt es nahe.«
      Domitian hatte sich in sein Schlafzimmer zurückgezogen, das pflegte er jetzt oft nach der Mahlzeit zu tun, und die kaiserlichen Gemächer gehörten den Knaben. Hatte der Kaiser sie nicht geradezu aufgefordert, seine Überraschung herauszufinden? Sie glühten danach, herauszubekommen, wen er nun morden wollte. Sie waren Flavier, sie waren tatenlustig, sie waren rachsüchtig, sie waren tollkühn.
      Sie gingen nach dem Arbeitskabinett des Kaisers. Es war bewacht von einem Hauptmann und zwei

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