Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
erfahren hatten, daß Lucia wieder in Rom sei, war ihnen das ein großer Trost. Aber nun sie sie das erstemal sahen, lähmte sie die Gegenwart Quintilians. Lucia erschrak, wie sehr sich die Knaben verändert hatten. So schnell hatten sie sich verändert, hier auf dem Palatin. Alles hat sich hier verändert, oder vielleicht auch hat bisher nur sie alles falsch gesehen. Sie wußte nicht recht, was sie den Knaben sagen könnte, peinvoll suchten alle drei nach Worten, der gewandte Quintilian mußte oft über quälende Pausen hinweghelfen. Schließlich ertrug es Lucia nicht länger. »Kommt her«, sagte sie, »seid keine Männer! Sei du Constans, und du Petron, und weint um Matthias und um eure Mutter!« Und sie umfaßte sie, und sie achteten nicht länger auf die Gegenwart Quintilians und ergingen sich in süßen und traurigen Erinnerungen an Matthias und in dunklen Worten des Zornes.
Nach dieser Zusammenkunft hätte Quintilian seine Zöglinge der Kaiserin am liebsten für immer ferngehalten. Aber dagegen trotzten die Knaben auf. Domitian, der, langsam wie immer, noch nicht schlüssig geworden war, wann er nun den Blitz gegen Lucia schleudern sollte, wollte es noch nicht zu einem offenen Bruch kommen lassen, und so wurde entschieden, daß die Prinzen einmal alle sechs Tage Lucia sehen sollten.
Dumpf und gefährlich lebte man dahin auf dem Palatin, und die schwere Schwüle dieses Sommers machte alles noch schwerer erträglich.
Auch die Stadt spürte, daß sich die Dinge zusammenballten um Domitian, und machte viel Gewese aus den übeln Vorzeichen, die sich häuften. Einmal, in diesem gewitterreichen Monat, schlug der Blitz in des Domitian Schlafzimmer, einmal riß der Sturm die Inschrifttafel seiner Triumphsäule fort. Die mißvergnügten Senatoren ließen es sich angelegen sein, aus diesen Vorzeichen viel Wesens zu machen, und mehrere angesehene Astrologen erklärten, der Kaiser werde den nächsten Winter nicht erleben.
Domitian ließ den Blitz, der in sein Schlafzimmer eingeschla gen, ordentlich begraben, wie es der Brauch erforderte. Die Inschrift der Triumphsäule ließ er in den Sockel einmeißeln, so daß sie kein Sturm mehr verwehen konnte. Einen der Wahrsager ließ Norban festnehmen; er gestand auf der Folter, er habe sich von einem der oppositionellen Senatoren anstiften lassen, unter Mißbrauch seiner Kunst Unwahres zu verkünden. Der Senator wurde verbannt, der Wahrsager exekutiert.
Die Anhänglichkeit der Massen an den Kaiser wurde durch diese übeln Vorzeichen nicht geringer. Sie fühlten sich sicher unter seinem Regiment. Seine maßvolle Außenpolitik zeigte ihre günstigen Folgen. Keine kostspielige Kriegs- und Prestigepolitik zehrte am Wohlstand des Landes, die Gouverneure wagten die Provinzen nur in relativ bescheidenem Maß auszuplündern. Auch vergaß man nicht die großen Schenkungsfeste, die Domitian veranstaltet hatte. Waren also die Massen zufrieden mit seiner Regierung, so haßte man ihn unter den Hocharistokraten und in der Schicht der sehr Reichen um so mehr. Man jammerte über die verlorene Freiheit und das willkürliche, despotische Regiment, und es gab Leute, denen es schwarz vor den Augen wurde, wenn sie das verhaßte, hochfahrende Gesicht des Kaisers sahen.
Da war der alte Senator Corell. Er litt seit seinem dreiunddreißigsten Jahr an Gicht. Enthaltsamkeit hatte eine Weile sein Leiden gedämpft, in späteren Jahren indes hatte die Krankheit den ganzen Körper ergriffen, verkrümmt und entstellt, er litt unerträgliche Schmerzen. Er war Stoiker, als mutiger Mann bekannt, seine Freunde wunderten sich, daß er seinem Leiden kein Ende machte. »Wissen Sie«, erklärte er einmal flüsternd seinem nächsten Freunde Secundus, »wissen Sie, warum ich mich selbst überwinde und dieses grauenvolle Dasein aushalte? Ich habe mir geschworen, diesen Hund Domitian zu überleben.«
Domitian machte sich lustig über die übeln Vorzeichen. Sie waren falsch gedeutet, sie besagten nichts, man brauchte nur die Augen aufzumachen, um zu sehen, wie glücklich sein Regiment war und wie der Wohlstand und die Zufriedenheit des Volkes wuchsen. Aber er war zu sehr Wirklichkeitsmensch, um nicht zu merken, daß trotzdem auch der Haß rings um ihn wuchs. Und mit dem Haß wuchsen des Kaisers Menschenfeindschaft und seine Angst.
Man war furchtbar allein, man war ringsum verraten und verkauft. Nun war auch noch seine Minerva von ihm gegangen, und zuletzt hatte selbst Lucia ihn
Weitere Kostenlose Bücher