Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
verraten. Wer eigentlich blieb ihm noch?
      Er ließ die Gesichter seiner Freunde, seiner Nächsten, an sich vorübergehen. Da waren Marull und Regin. Aber sie sind wackelige Greise, und er weiß nicht einmal, ob er, nach dem Tode des Matthias, ihrer ganz sicher sein kann. Folgt Annius Bassus. Der ist jünger. Der ist durchaus verläßlich. Aber er ist, der schlichte Soldat, der Dummkopf, nicht zu brauchen für verflochtene Dinge, die feineres Verständnis erfordern. Und wenn er, Domitian, sich der Lucia trotz ungeheurer Mühen nicht hat verständlich machen können, wie sollte er sich diesem verständlich machen? Käme Norban. Aber Norban hat sehr tief in ihn hineingeschaut, tiefer, als man in den Herrn und Gott Domitian hineinschauen darf, zu tief. Und überdies ist es Norban gewesen, der ihm das erste Glied der gefährlichen Kette in die Hand gedrückt hat. Norban ist der Treueste der Treuen, aber auch zwischen ihm und Norban ist es aus.
      Es bleibt in Wahrheit ein einziger: Messalin. Welch eine Gnade, daß die Götter den Messalin blind gemacht haben! Den toten Augen des Messalin kann der Herr und Gott Domitian sein Gesicht zeigen, ohne Scheu, ohne Scham. Der blinde Messalin darf wissen, was kein anderer wissen darf. Einer wenigstens ist in der Welt, dem Domitian alles sagen kann, und er muß nicht fürchten, daß er’s hinterher bereue.
      Domitian saß in seinem versperrten Arbeitskabinett, aber er war nicht allein, mit ihm, um ihn waren seine Menschenfeindschaft und seine Angst. Warum war dies alles? Warum war er so einsam? Warum war dieser Haß um ihn? Sein Volk war glücklich, Rom war groß und mächtig, mächtiger, glücklicher als je. Warum war dieser Haß um ihn?
      Es gab nur einen Grund, die Feindschaft dieses Gottes Jahve. Er ließ sich nicht versöhnen, dieser Gott. So klug er, der Kaiser, sich vorgesehen hatte, sicher hatte der Gott Jahve mit seinem östlichen Advokatenverstand trotzdem in den Ereignissen um den Knaben Matthias etwas gefunden, was ihm einen Rechtstitel gab gegen den römischen Kaiser. Sicher war es die Rache dieses Gottes Jahve, was ihn nicht zur Ruhe kommen ließ.
      Gab es denn kein Mittel, den Grimm des Gottes zu versöhnen?
      Es gab ein Mittel. Er wird dem Gott den Mann opfern, der die Tötung des Knaben Matthias angestiftet hat, den Mann, der ihm das erste Glied der Kette in die Hand gedrückt hat, seinen Polizeiminister Norban. Das ist ein großes Opfer, denn Norban ist der Treueste der Treuen.
      Vor seiner Schreibtafel saß er. Diesmal aber waren es keine Kringel und Kreise, die auf der Schreibtafel entstanden, diesmal waren es Namen. Denn wenn er seinen Norban zu den Untern schickt, dann sendet er ihn nicht allein auf den dunkeln Weg, dann schickt er andere mit.
      Langsam gräbt der Griffel ins Wachs, säuberlich untereinander setzt er Namen auf Namen. Da ist der gewisse Salvius, der es gewagt hat, den Gedächtnistag seines toten Onkels zu feiern, des Kaisers Otho, des Flavierfeindes. Genießerisch gräbt Domitians Griffel den Namen Salvius ins Wachs. Da ist der Schriftsteller Didymus, der in seine vielgerühmte Geschichte Kleinasiens Anspielungen eingestreut hat, die dem Kaiser nicht gefallen. Er setzt den Namen auf seine Liste, und in Klammern fügt er bei: »Auch den Verleger und die Schreiber.« Dann, und diesen Namen schreibt er sehr schnell, folgt Norban. Mehrere andere, gleichgültige, setzt er darunter. Dann, nach ganz kurzem Schwanken, läßt er den Namen Nerva folgen. Das ist zwar ein betagter Herr, nahe den Siebzig, auch maßvoll, vorsichtig, man kann ihm nichts nachweisen; aber gerade weil er so ruhig und bedachtsam ist, schart sich die Opposition um ihn. Domitian liest den Namen, er macht gute Figur auf der Liste. Dann erst, langsam, sorgfältig, in schlau ausgeführten Buchstaben schreibt er nieder den Namen Lucia. Dann, da nicht dieser Name das Ende sein soll, läßt er einige belanglose den Beschluß machen.
      Er ist sehr vertieft gewesen in seine Liste. Jetzt, da er sie zusammen hat, atmet er auf, schaut er auf, ihm ist wie nach einem Sieg. Er erhebt sich, streckt sich, lächelt, und von allen Seiten aus dem spiegelnden Wandbelag lächelt Domitian ihm entgegen. Wenn der östliche Gott ein Argument gefunden haben sollte, gegen ihn vorzugehen, jetzt hat der römische Kaiser ihm diesen Vorwand wieder aus der Hand gewunden. Er hat dem Gott seinen Norban geopfert. Jetzt muß sich der Gott zufriedengeben, jetzt muß der Gott ihn in Ruhe

Weitere Kostenlose Bücher