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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Rom und sie bekränzte.
      Denn wenn der Abend der Haggada heute schon, so kurze Zeit nach seiner Einführung, von den Juden nicht nur dieses Landes Israel, sondern überall auf dem Erdkreis mit solcher Innigkeit und Inbrunst gefeiert wird, dann ist das vor allem das Verdienst dieses Doktors Akawja; er hat die »Ordnung« dieses Abends, seinen »Seder«, geschaffen, er hat die meisten der kindlich rührenden, betrübten, glaubensstarken, zuversichtlichen, grimmigen Gebete und Riten dieses Abends ersonnen, die gerade jetzt, in der Epoche der Unterdrückung, in jeder jüdischen Brust die Erinnerung an die grimmige Not und die wunderbare Erlösung mit solcher Gewalt heraufsteigen lassen.
      Aus der dreistöckigen, kostbaren Silberschüssel, die allerlei Speisen enthielt, die mit naiver und wirksamer Symbolik an Knechtschaft und Befreiung gemahnten, nahm Akawja die Fladen ungesäuerten Brotes, die an die Hast erinnerten, mit der seinerzeit die Juden das feindselige Land der Bedrückung verlassen hatten. Akawja zerteilte die Fladen und wies sie den Gästen. »Dies«, sprach er, »ist das Brot des Elends, das unsere Väter gegessen haben in Ägypten. Wer hungrig ist, komme und esse mit. Wer bedürftig ist, komme und feiere mit uns das Passahfest. Dieses Jahr hier, kommendes Jahr in Jerusalem. Dieses Jahr Knechte, kommendes Jahr freie Männer.« Überall jetzt in der Welt sprachen die Juden diese schlichten und zuversichtlichen Sätze Akawjas, und überall, Josef spürte es, hoben sich bei ihrem Klang die Herzen. Ja, dieses Jahr war das letzte unserer Bedrückung, im nächsten werden wir das Passah feiern in einem auf wunderbare Art neu erbauten Jerusalem.
      Und Akawja fuhr fort und erzählte in den von ihm geprägten simpeln und ergreifenden Formeln die Geschichte der Befreiung. Er erlebte seine Erzählung mit, so genau sie ihm vertraut war, er befolgte sein Gebot: »Ein jeder Jude an diesem Abend fühle so, als wäre er selber aus Ägypten befreit worden.«
      Josef hörte die Stimme des Akawja. Es war eine tiefe, derbe Stimme, ohne Musik, allein ihre heftige, gebieterische Überzeugtheit riß ihn mit. Alle an diesem Tische berauschten sich an den Worten des Akawja, als wären sie Wein. Manche von den Gästen des Akawja hatten, wie Josef selber, den Glanz der gewaltigen Passahfeier des Tempels von Jerusalem noch miterlebt, aber das Gedenken an die Wallfahrt, das Gedenken an den Festprunk der Priester, schnürte ihnen in dieser Zeit des Elends und der Bedrückung nicht etwa das Herz zusammen, im Gegenteil, die grimmige Beziehung auf das Heute, die in den ärmlichen, innigen Bräuchen war, machte den Stolz auf ihr Volk und auf seinen gewaltigen Gott nur trunkener.
      Josef dachte zurück an den Abend, den er vor kurzem im Hause des Gouverneurs in Cäsarea verbracht hatte, an diese nüchternen Offiziere und Beamten, die, ihrer Macht sicher, voll kalten, realistischen Hochmutes hinunterschauten auf jene barbarischen Idealisten, die sich immer von neuem in den aussichtslosen Kampf für ihr Land und ihren Gott stürzten. Nein, zehnmal lieber war er hier an der Seite und im Kreis dieser Besiegten als jener Sieger.
      Und die Besiegten berauschten sich weiter an der Erinnerung ihrer früheren Siege und an der Voraussicht ihrer künftigen. Einen Becher Weines stellten sie bereit für den Propheten Elia, den größten Patrioten der Vorzeit. Sicher wird er, dieser Vorläufer des Messias, dieser Sendbote des rächenden Jahve, in dieser feierlichen Nacht erscheinen, und er soll den Trank der Begrüßung vorfinden. Keiner zweifelte.
      Und die Verse des großen Hallel sangen sie, den ekstatischen Jubelpsalm, der da feiert die Befreiung aus Ägypten und die Macht des jüdischen Gottes, der sie bewirkt hat. »Das Meer sah es und floh«, sangen sie, »der Jordan wandte sich zurück. Die Berge hüpften wie Lämmer, die Hügel wie junge Schafe. Was war dir, Meer, daß du flohest, und dir, Jordan, daß du dich zurückwandtest?« Ihre Phantasie kostete es voraus, wie ihr Gott Jahve auch diese Römer verdarb. Die Wasser werden zusammenschlagen über dem Kaiser Trajan und seinen Legionen und sie verschlingen, so wie seinerzeit die Wellen des Roten Meeres den Ägypterkönig verschlangen mit Mann und Roß und Wagen. Halleluja!
      Die Bräuche waren verrichtet, die Gebete gesprochen. Mit vorrückender Nacht verabschiedeten sich die Gäste. Auch Josef wollte sich zurückziehen. Doch Akawja hielt ihn, immer wieder, bis sie

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