Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
entledigen sollen, Lucia.« – »Sie sind launisch, mein Herr und Gott«, gab ihm Lucia zurück, und das Lächeln wich nicht von ihrem Antlitz. »Erst rufen Sie mich zurück, und dann sagen Sie mir solche Grobheiten. Und finden Sie es nicht etwas primitiv, einem immer gleich mit so blutigen Lösungen zu kommen?« Sie trat nahe an ihn heran, sie war größer als er, sie strich ihm leicht über das spärlicher werdende Haar. »Das ist schlechter Geschmack, Wäuchlein«, sagte sie, »das zeugt nicht von guter Rasse. Übrigens habe ich keine Angst vor dem Tod. Ich denke, Sie wissen das. Wenn ich jetzt sterben müßte, wäre es kein zu hoher Preis für das, was ich vom Leben gehabt habe.« Sie hatte allerhand aus ihrem Leben herauszuholen gewußt, das mußte Domitian zugeben. Und Angst vor dem Tod hatte sie wirklich nicht, er hatte es erprobt. Und auch, daß sie noch aus ihrer Verbannung Gewinn zu ziehen vermocht hatte, glaubte er ihr. Nein, man konnte sie nicht zähmen, man konnte ihrer nicht Herr werden. Immer von neuem empörte ihn die Kühnheit, mit der sie zu ihren Taten stand, doch immer von neuem auch unterwarf ihn diese Kühnheit.
Er versuchte, sich stark zu machen gegen sie. Sie war ersetzbar, das hatte ihre Abwesenheit gezeigt. War ihm nicht Julia mittlerweile mehr geworden als eine Bettgenossin? Und erwartete er nicht ein Kind von Julia? Und hatte nicht auch er allerhand aus seinem Leben gemacht in ihrer Abwesenheit? »Auch ich habe einiges geschafft, während du fort warst, Lucia«, sagte er grimmig. »Rom ist römischer geworden, Rom ist mächtiger geworden, stärker, und es ist jetzt mehr Zucht in Rom.« Lucia lachte einfach. »Lache nicht, Lucia!« sagte er, und es war Bitte und Befehl. »Es ist so.« Und wieder weicher, fast flehend: »Ich hab es auch deinethalb getan, ich hab es für dich getan, Lucia.«
Lucia saß still da und schaute ihn an. Sie durchschaute, was an ihm klein und lächerlich war, aber sie sah auch seine Kraft und seine Eignung zum Herrschen. Soviel hatte sie erkannt: es mußte einer, wenn sich in ihm so ungeheure Fülle an Macht vereinigte wie in diesem ihrem Domitian, ein sehr großer Mann sein, um nicht das Maß zu verlieren. Gemeine Vernunft konnte sie von ihm nicht verlangen. Sie verlangte sie nicht. Zuzeiten sogar liebte sie ihn um seines Wahnes willen, es rede und handle aus ihm der Gott. Es schien ihr ein wenig verächtlich, daß er es nicht über sich brachte, sie zu töten; gleichwohl hatte sie sich während ihrer Verbannung häufig nach ihm gesehnt. Sie sah ihn an, nachdenklich, mit trüberen Augen: sie freute sich darauf, mit ihm zu schlafen. Aber sie war sich klar: sie mußte, was von ihm zu fordern sie sich vorgenommen hatte, jetzt von ihm erreichen, vorher. Später, hernach, wird es zu spät sein, und sie wird dann jahrelang mit ihm herumzukämpfen haben. Sie hatte sich genau zurechtgelegt, was sie von ihm verlangen wollte, und der gescheite Claudius Regin hatte ihr recht gegeben.
»Sie sollten mir endlich das Ziegeleimonopol übertragen«, sagte sie also statt einer Antwort. Domitian war ernüchtert. »Ich spreche Ihnen von Rom und Liebe, und Sie antworten mir: Geld«, beklagte er sich. »Ich habe«, erwiderte sie, »während der Verbannung gelernt, wie wichtig Geld ist. Selbst auf meiner öden Insel hätte ich mir und den andern mit Geld vieles erleichtern können. Es war unfreundlich von Ihnen, meine Bezüge zu sperren. Bekomme ich das Ziegeleimonopol, Wäuchlein?« sagte sie.
Er dachte an die Narbe unter ihrer Brust, er war erfüllt von Wut und Begier. »Schweig!« herrschte er sie an. »Ich denke gar nicht daran«, beharrte sie, »ich rede jetzt von dem Ziegeleimonopol. Und du kommst nicht weiter, ehe du mir ein klares Ja gesagt hast. Bilde dir nur ja nicht ein, du habest mich mürbe gemacht mit deinem Pandataria. Sicher hast du geglaubt, ich werde die ganze Zeit an das scheußliche Schicksal der Octavia denken oder der Julia des Augustus« – er überrötete sich, gerade das hatte er gewollt –, »aber da hast du dich geirrt. Und wenn du mich nochmals hinschickst, dann werde ich auch nicht anders werden, und genau wie für mich jene Julia eine lustvolle Erinnerung war, so soll eine spätere Verbannte dieser Insel auch an mich eher mit Neid denken als mit Schrecken.« Das waren Andeutungen, die dem Domitian nun vollends zeigten, wie machtlos er vor dieser Frau war. Er suchte nach einer Erwiderung. Allein ehe er eine fand, kam sie zurück auf
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