Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
politischen Tätigkeit«, warf, beinahe bedauernd, der Polizeiminister ein. »Das ist es eben«, sagte Domitian. »Dafür spielt er den Mäzen lauter versnobter Intellektueller, lauter Oppositioneller natürlich.« – »Ist das Hochverrat?« überlegte Norban. »Ich glaube, es genügt nicht.« – »Er hat seine Leute die weiße Livree tragen lassen, die dem Haushalt des Kaisers vorbehalten ist«, führte Domitian weiter aus. »Das genügt nicht«, beharrte Norban. »Er hat die weiße Livree wieder abgeschafft, sowie Sie es ihm befohlen haben. Nein, was vorliegt, genügt nicht«, schloß er. »Aber vertrauen Sie Ihrem Norban, mein Gott und Herr«, redete er ihm zu. »Der Prinz Sabin ist von solcher Art, daß bestimmt einmal etwas gegen ihn vorliegen wird. Und sobald es soweit ist, vielleicht schon bei Ihrer Rückkehr aus dem Feldzug, mein Gott und Herr, werde ich Ihnen sogleich berichten.«
Des Abends aß der Kaiser zunächst allein, hastig und viel, denn er wollte satt sein, um bei der Familientafel nicht durch Essen von der Beobachtung der andern abgelenkt zu werden. Diese andern versammelten sich mittlerweile in dem kleinen intim festlichen Saal der Minerva. Es waren Lucia, die beiden Vettern des Kaisers, Sabin und Clemens, mit ihren Frauen Julia und Domitilla, sowie die beiden kleinen Zwillingssöhne des Clemens.
Die Garden klirrten die Spieße zur Erde, Domitian betrat den Raum. Sah Lucia. Ihr kühnes, helles Gesicht lachte ihn an, fröhlich, ein wenig spöttisch; ach nein, der Aufenthalt auf der öden Insel hatte sie nicht gebändigt, nicht verändert. Er war froh, nicht mit ihr allein zu sein.
Mit seinem steifen, mühsamen Schritt ging er auf sie zu und küßte sie, wie er dem Zeremoniell zufolge alle Anwesenden zu küssen hatte. Es blieb ein kurzer, formeller Kuß, seine Lippen rührten kaum ihre Wangen. Doch unter seinem Staatskleid spürte sie das starke Pochen seines Herzens. Er hätte eine Provinz darum gegeben, zu wissen, ob sie dort auf ihrer Insel mit einem andern geschlafen hatte. Warum hatte er seinen Norban nicht befragt? Fürchtet er die Antwort?
Ein wildes, kaum zähmbares Verlangen kam ihn an, die Narbe unter ihrer linken Brust zu sehen, mit sanftem Finger darüber zu streichen. Er ist wahrlich ein großer Herrscher, er ist ein Römer, daß er sich bezwingen und sich ruhigen Gesichtes an die andern wenden kann, während er dieses ungeheure Verlangen spürt.
Er umarmt also zunächst seinen Vetter Sabin und küßt ihn, wie es der Brauch vorschreibt. Ein widerwärtiges Mannsbild, dieser Sabin, so dümmlich wie eingebildet. Aber Domitian kann sich auf seinen Polizeiminister verlassen. Der Tag wird kommen, da er die Haut dieses Sabin nicht mehr an der seinen wird spüren müssen.
Er wandte sich an Julia. Man sah ihr von ihrer Schwangerschaft noch nichts an, aber hier waren alle im Bilde. Sicher hat selbst Lucia schon davon gehört, und auch sie wird sich jetzt fragen: Von wem ist das Kind, von Wäuchlein oder von dem blöden Sabin? Des Kaisers ganzes Gesicht, wie er jetzt, die Arme eckig nach hinten, den Bauch leicht eingezogen, auf sie zuging, war überrötet; doch das wollte nichts besagen, er errötete leicht und immerzu. Julias blaugraue Augen schauten ihm groß und forschend entgegen. Sie hatte in diesen letzten Monaten weniger unter seinen Launen zu leiden gehabt, aber mit ihrem guten, nüchternen Verstand sah sie voraus, daß sich das ändern werde, sowie er erst wieder mit Lucia zusammen sei. Da stand sie denn, eine rechte Flavierin, raumfüllend, höchst existent. Aber wirkte sie nicht etwas vulgär, wenn man sie an Lucia maß? Domitian küßte sie, und ihre weiße, dünne Haut, ihm vor wenigen Tagen noch sehr lieb, war ohne Reiz für ihn.
Nun begrüßte er mit Umarmung und Kuß seinen jüngeren Vetter, Clemens, den sanften und faulen Clemens, wie er ihn zu höhnen pflegte. Denn Clemens hatte sich nie etwas aus Politik gemacht, er bezeigte keinerlei Ehrgeiz, die freundliche Lässigkeit, die ihn ganz durchdrang, war dem Kaiser, dem Wahrer römischen Wesens, ein Ärgernis. Die meiste Zeit verbrachte Clemens auf dem Land, mit seiner Frau Domitilla und seinen Zwillingssöhnen. Dort beschäftigte er sich mit der pietistischen Doktrin einer jüdischen Sekte, mit der albernen Lehre der sogenannten Minäer oder Christen, die sich allerhand von einem jenseitigen Leben versprachen, da ihnen das diesseitige nicht der Mühe wert schien. Domitian fand diese Doktrin
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