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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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heimzuzahlen, mit dem sie oft über ihn, den »frivolen, raffinierten Lüstling«, hergefallen waren. Feierlich sitzend und zerfressen von Grimm, mußten sich’s die republikanisch konservativen Senatoren mitanhören, wie ihr Kollege Marull, der große Anwalt, mit scheinbarer Sachlichkeit dartat, daß die Stabilität der Staatsführung es dem Senat einfach zur Pflicht mache, dem Kaiser die Zensur auf Lebenszeit zu übertragen, und daß das Reich in seinem Bestand bedroht sei, wenn man dem Herrn und Gott Domitian diese Oberaufsicht nicht zubillige.
      Der Senator Priscus hörte zu, die Hände in den Ärmeln seines Staatskleides verschränkt. Aus kleinen, tiefliegenden Augen blinzelte er auf den beredten Marull, den runden, völlig kahlen Kopf hielt er steif. Oh, er sprach gut, dieser Marull, er sprach sehr gut für eine höchst niederträchtige Sache. Wie gerne hätte er, Priscus, selber ein Mann des Wortes, diesem Marull geantwortet, es gab viel zu antworten, sehr Treffendes, und er hätte es herrlich formulieren können. Allein er mußte schweigen, der Senator Priscus, unter diesem Kaiser Domitian war er verurteilt, zu schweigen. Ein einziger, armseliger Trost blieb ihm: er wird nach der Sitzung nach Hause gehen und das, was er zu sagen hat, niederschreiben. Dann, später einmal, bei guter Gelegenheit, wird er es behutsam und flüsternd in einem Kreis zuverlässiger Freunde vorlesen, und wenn es ganz gut geht, dann wird er dem frechen Marull sein Manuskript in die Hände spielen. Traurige Vergeltung.
      Der Senator Helvid, Sohn jenes Helvid, den des Kaisers Vater hatte töten lassen, knirschte mit den Zähnen und zerbiß sich die Lippen, wie er die niederträchtigen, eleganten Sätze des Marull mitanhören mußte. Schließlich konnte er sich nicht mehr bezähmen. Er vergaß die Warnungen des Cornel, er erhob sich, der große, hagere, verwitterte Herr, und mit gewaltiger Stimme rief er dem Marull zu: »Frechheit, freche Lüge!« Marull unterbrach sich, die hellen, blaugrauen Augen richtete er auf den Zwischenrufer, ja, er führte den blickschärfenden Smaragd ans Auge. Der Kaiser selber drehte langsam, sich rötend, dem Helvid den Kopf zu. Den Helvid aber hatte Cornel auf seinen Sitz zurückgezogen, und da saß er und sagte nichts mehr.
      Als Marull zu Ende war, schritt man zur Beratung. Der amtierende Konsul rief jeden der Senatoren bei seinem Namen auf, in der Reihenfolge ihrer Anciennität, und fragte: »Was ist Ihre Meinung?« Gerne hätte da mancher geantwortet: Dieses Gesetz ist der Verderb des Reiches und der Welt. Allein keiner antwortete so. Vielmehr erklärte gehorsam ein jeder: »Ich stimme dem Junius Marull bei«, und höchstens der Ton der Stimme verriet Scham, Bitterkeit, Empörung.
      Helvid, in der Pause nach der Abstimmung über dieses dritte Gesetz, sagte zu Cornel: »Wenn unsere Altvordern zeitweise das Höchstmaß an Freiheit erleben durften, so haben wir jetzt das Höchstmaß an Knechtschaft erlebt.«
      Bei der Beratung der vierten Vorlage, der letzten, des neuen, verschärften Sittengesetzes, nahm der Kaiser selber das Wort. Wenn es um Zucht und Tradition ging, dann verlangte es ihn danach zu reden. Er fand denn auch würdige, kräftige, sehr römische Sätze, um wieder einmal seine Überzeugung zu bekennen von der innigen Verbindung von Zucht und Macht. Die Sitte, führte er aus, sei die Grundlage des Staates, das Verhalten eines Menschen bestimme seine Gesinnung, und wenn man sein Verhalten bessere, wenn man ihn zwinge, sich sittlich, anständig zu verhalten, dann bessere man auch seine Seele und seine Art. Zucht und Sitte seien die Voraussetzung jeder staatlichen Ordnung, die Disziplin der Bürger sei die Grundlage des Imperiums. Selbst die oppositionellen Senatoren mußten zugeben, daß der Nachfahr des kleinen Bürobeamten mit Würde sprach und sehr kaiserlich.
      Die Wände der länglich runden Halle entlang reihten sich ernsthaft die Standbilder der großen Dichter und Denker, unter ihnen die Büste des Schriftstellers Flavius Josephus, des Juden, die Kaiser Titus hier hatte aufstellen lassen. Leicht über die Schulter gedreht, hoch und hochfahrend, hager, fremdartig schimmernd, augenlos, voll wissender Neugier, wohnte der Kopf des Josephus der Sitzung bei.
      Endlich war auch das letzte Gesetz beraten und beschlossen, und der amtierende Konsul konnte die Versammlung entlassen mit der Formel: »Ich halte Sie nicht länger auf, Berufene Väter.«
      Zehn Tage später,

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