Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
gehabt, der Kaiser wollte Lucia zuerst im Kreise der Familie sehen – und dann die erhoffte und gefürchtete Auseinandersetzung mit Lucia. Allein es war gerade um dieser Auseinandersetzung willen, daß Domitian noch mit seinem Polizeiminister reden wollte. Der war nun einmal der einzige, der ihm Mate rial geben konnte, Material gegen Lucia, das ihm vielleicht bei der großen Aussprache dienlich wäre. Doch Norban blieb auch heute einsilbig, und der Kaiser brachte auch heute seine Frage nicht über die Lippen. Er wartete darauf, daß Norban von allein sprechen sollte; es war niederträchtig von ihm, daß er seinen Kaiser nicht informierte, auch ungefragt. Allein Norban hatte seinen harten Kopf, er sprach nicht.
Seufzend gab es der Kaiser auf, von ihm etwas über Lucia zu hören. Da er ihn aber nun einmal dahatte, fragte er ihn wenigstens über Julia aus. Sein Verhältnis zu dieser seiner Nichte Julia war zwiespältig und wechselnd. Titus, sein Bruder, hatte ihm seinerzeit seine Tochter Julia als Frau angetragen, doch Domitian, damals danach trachtend, seines Bruders Mitregent zu werden, hatte sich nicht auf solche Art abspeisen lassen wollen. Dann aber hatte er sich, teils aus Haß gegen den Bruder, teils weil ihm Julias lässig anmutige, füllige Fleischlichkeit anzog, das Mädchen durch Gewalt und Überredung gefügig gemacht. Auch nachdem Titus Julia mit dem Vetter Sabin verheiratet hatte, ja gerade deshalb, hatte er diese seine skandalösen Beziehungen zu ihr fortgesetzt. Nun war Titus tot, Domitian hatte keine Ursache mehr, ihn zu ärgern, doch er hatte sich mittlerweile an die blonde, träge, weißhäutige Julia gewöhnt. Sie liebte ihn sichtlich, und in diese Liebe rettete er sich, wenn der Ärger über den unangreifbaren Stolz der Lucia zu tief an ihm fraß. Und je nach der Art, wie ihn Lucia behandelte, änderte sich seine Neigung für Julia.
Nun war Julia schwanger. Er hatte ihr vor einiger Zeit verboten, mit ihrem Manne Sabin, seinem Vetter, zu schlafen, sie schwor, das Kind sei von ihm, nicht von Sabin, und der Mann Domitian möchte das auch gerne glauben, aber der Kaiser Domitian ist mißtrauisch. Oder vielleicht auch glaubt es der Kaiser Domitian, denn ihn, den Gott, kann man nicht hintergehen, aber der Mensch Domitian ist mißtrauisch. Über diese seine Zweifel mit seinem Norban zu reden, trug er keine Scheu. Lucia hatte ihm ein Kind geboren, aber es war im Alter von zwei Jahren gestorben, und der Leibarzt Valens gab dem Kaiser keine Hoffnung, von Lucia Nachkommenschaft zu erwarten. Es wäre großartig, wenn Julia ihm ein Kind gebäre. Aber wer konnte ihm sagen, ob die Frucht, die sie trug, wirklich sein Kind war? Niemals wird er dessen ganz sicher sein können; denn wenn das Kind flavische Merkmale welcher Art immer tragen wird, diese Merkmale können von ihr selber stammen, von ihm und von Sabin. Wer behebt seine Zweifel?
Norban war seinem Herrn nicht nur tief ergeben, sondern ehrlich freund. Es wäre ihm eine ungeheure Freude gewesen, wenn Domitian einen Sohn gehabt hätte, dem er den Thron hätte vererben können. »Ich habe verlässige Leute im Hause des Prinzen Sabin«, erklärte er, »Leute mit gutem Blick. Nicht um der Prinzessin Julia, sondern um des Prinzen Sabin willen. Meine Leute erklären mit Bestimmtheit, die beiden lebten wie Vetter und Base, nicht wie Mann und Frau.« Der Kaiser richtete die etwas vorquellenden Augen trüb und starr auf den Norban. »Du willst den Herrn und Gott Domitian trösten«, antwortete er, »weil du dem Manne Domitian freund bist.« Norban hob die breiten Schultern eindrucksvoll und senkte sie wieder. »Ich berichte nur«, sagte er, »was verlässige Leute mir berichten.«
»Auf alle Fälle ist es ärgerlich«, meinte Domitian, »daß Sabin in der Welt ist, dieser hochmütige Dummkopf. Von Natur ist er nur dumm. Daß er so hochmütig geworden ist, daran ist Titus schuld gewesen. Ich sage dir, Norban, mein Bruder Titus war im Grunde sentimental, bei all seinem Geschmetter. Er hat den Sabin verhätschelt, aus Familienrührseligkeit. Es war einfach idiotisch, daß er ihm die Julia zur Frau gegeben hat.« – »Es ziemt mir nicht«, antwortete Norban, »an dem Gotte Titus Kritik zu üben.« – »Ich sage dir«, erwiderte ungeduldig der Kaiser, »er war häufig ein Idiot, der Gott Titus. Der Hochmut dieses Sabin ist wirklich höchst ärgerlich. Dieser Hochmut grenzt schon beinahe an Hochverrat.« – »Er hält sich peinlich fern von jeder
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