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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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wie es Vorschrift war, wurden vier Erztafeln, in welche der Wortlaut der vier neuen Gesetze eingegraben war, im Staatsarchiv hinterlegt, und damit hatten die vier Gesetze Geltung erlangt. Von diesem Tage an hatte der Imperator Cäsar Domitianus Augustus Germanicus auf Lebenszeit

    die Befugnis, Mitglieder des Senats aus dieser Körperschaft auszuschließen.

    In dem unansehnlichen Hause des Josef erschien zum großen Staunen der Nachbarn ein kaiserlicher Kurier. Er überbrachte dem Josef die Einladung, sich andern Tages auf dem Palatin einzufinden.
      Josef selber war mehr verwundert als ängstlich. In den letzten Jahren hatte der Kaiser höchstens gelegentlich ein flüchtiges Wort für ihn gehabt, niemals mehr. Es war merkwürdig, daß er ihn jetzt, unmittelbar vor seiner Abreise, mitten im Drange der Geschäfte, noch zu sich beschied. Hing diese Einladung, oder besser wohl, diese Vorladung, zusammen mit den Dingen in Judäa? Allein Josef bemühte sich, auf dem Weg zum Palatin jede Angst zu unterdrücken. Gott ließ es nicht zu, daß ihm etwas geschah, bevor er sein großes Werk, die Universalgeschichte, vollendet hatte.
      Domitian trug, als Josef zu ihm geführt wurde, den purpurnen Mantel über der Rüstung; gleich nach der Unterredung mit dem Juden wollte er eine Deputation seiner Senatoren und Generäle empfangen. So stand er, an eine Säule gelehnt; der Stab, das Zeichen der Gewalt, lag neben ihm auf einem kleinen Tisch. Der Raum war nicht groß; um so mächtiger wirkte die Gestalt des Kaisers. Josef kannte Domitian genau noch aus der Zeit her, da er ein Niemand war, ein Taugenichts, und da ihn sein Bruder Titus nur als das »Früchtchen« bezeichnet hatte. Gegen seinen Willen aber verschmolz jetzt dem Josef der Mann vor ihm in eines mit den vielen Porträtstatuen, die rings aufgestellt waren; er war nicht mehr das Früchtchen, er war Rom.
      Der Kaiser war sehr freundlich. »Kommen Sie näher, mein Josephus!« forderte er ihn auf. »Noch näher! Kommen Sie dicht heran!« Er betrachtete ihn aus seinen großen, kurzsichtigen Augen. »Man hat lange nichts mehr von Ihnen gehört, mein Josephus«, sagte er. »Sie sind ein sehr stiller Mann geworden. Waren Sie die ganze Zeit in Rom? Leben Sie ausschließlich Ihrer Literatur? Und woran arbeiten Sie? Schreiben Sie weiter an der Geschichte dieser Zeit?« Und, immer ehe Josef antworten konnte, jetzt aber mit einem kleinen, bösartigen Lächeln: »Werden Sie beschreiben, welche Wirkungen meine Maßnahmen auf Ihr Judäa haben?«
      Der Kaiser, nun er zu Ende gesprochen, hielt den Mund noch ein wenig geöffnet, wie auf den meisten seiner Statuen. Ruhig und nachdenklich schaute ihm Josef ins Gesicht. Er wußte, wie verächtlich der Vater und der Bruder dieses Mannes über ihn gedacht hatten, und Domitian wußte, daß er es wußte. Er hatte, dieser Domitian, das starke, vorspringende Kinn des Vaters. Er war als Jüngling eine stolzere Erscheinung gewesen als Vater und Bruder, aber jetzt hatte er, sah man genauer hin, mit seinen Statuen nur mehr wenig gemein. Wenn man die Attribute der Macht abzog, wenn man sich ihn als entkleidet seiner Macht vorstellte, einfach als nackten Mann, was blieb dann? Wenn nicht Rom, das riesige, gewaltige, hinter ihm stand, was war er dann als ein Mensch in mittleren Jahren mit wulstigem Mund, dünnen Beinen, vorzeitigem Bauch und vorzeitiger Glatze? Er war Wäuchlein. Und dennoch war er auch der Imperator Domitianus Germanicus, und Rüstung und Purpur und Stab gewannen Leben erst durch ihn.
      »Ich schreibe an einer ausführlichen Darstellung der Geschichte meines Volkes«, erwiderte mit gleichmütiger Höflichkeit Josef. Wann immer er den Kaiser traf, richtete der an ihn die gleiche Frage und gab er die gleiche Antwort.
      »Des jüdischen Volkes?« fragte sanft und ein wenig tückisch Domitian und traf damit den Josef tiefer, als er dachte. Und wieder, ehe Josef antworten konnte, fuhr er fort: »Es könnte sein, daß die letzten Ereignisse Einwirkung haben auch auf Ihr Judäa. Glauben Sie nicht?« – »Der Imperator Domitian hat tieferen Einblick in die Ereignisse als ich«, erwiderte Josef. »In die Ereignisse vielleicht, doch schwerlich in die Menschen«, antwortete der Kaiser, mit dem Stabe spielend. »Ihr seid ein schwieriges Volk, und es gibt kaum einen Römer, der sich rühmen dürfte, euch wirklich zu kennen. Mein Gouverneur Pompejus Longin ist ein guter Mann, kein schlechter Psycholog, und berichtet mir regelmäßig,

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