Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
wieweit der Messias, der damals in seinem Innern entstand, dieser Messias Vespasian, der ja später Wirklichkeit wurde, wieweit ihm dieser sein Traum-Messias von Anfang an Wirklichkeit war. Er selber wird es nicht sagen können, und dieser Kaiser Domitian, der da vor ihm sitzt und ihn höhnisch anschaut, schon gar nicht.
»Was hast du eigentlich gegen mich, mein Jude?« fragte jetzt dieser Kaiser Domitian weiter, immer mit hoher, sanfter Stimme. »Meinen Vater und meinen Bruder hast du gut bedient: glaubst du, ich bin ein schlechterer Zahler? Hältst du mich für knauserig? Du wärest der erste. Ich zahle nämlich wirklich gut, Flavius Josephus, notieren Sie sich das für Ihr Geschichtswerk, ich zahle hoch, im Guten und im Schlechten.« Josef war ein wenig erblaßt, aber er schaute dem Kaiser ruhig ins Gesicht. Der ging nah an Josef heran, er ging steif im goldenen Purpur, es war, wie wenn eine prächtige, wandelnde Statue auf Josef zukäme. Dann, freundschaftlich, vertraulich, schlang der golden und purpurne Mann den Arm um Josefs Schulter, und, schmeichlerisch, redete er ihm zu: »Wenn du mir ernstlich dienen wolltest, mein Josephus, dann hättest du jetzt gute Gelegenheit. Geh nach Judäa! Nimm du den Aufstand in die Hand, wie du ihn damals vor zwanzig Jahren in die Hand genommen hast. Rom ist zum Herrschen bestimmt, du weißt es nicht weniger gut als ich. Es hat keinen Sinn, sich gegen die Vorsehung zu stemmen. Hilf dem Schicksal. Hilf uns, daß wir zur rechten Zeit zuschlagen können, wie du uns damals geholfen hast. Hilf dem rechten Augenblick, wie du damals im rechten Augenblick deinen Messias erkannt hast.« Es war ein höllischer Hohn in der Sanftheit dieser Worte.
Josef, aufs tiefste erniedrigt, antwortete, beinahe mechanisch: »Wünschen Sie denn, daß Judäa losschlägt?« – »Ich wünsche es«, erwiderte der Kaiser leise, sehr sachlich, noch immer hatte er den Arm um die Schulter des Josef. »Ich wünsche es auch im Interesse deiner Juden. Du weißt, sie sind Narren, und einmal schlagen sie los, auch wenn die Vernünftigen ihnen noch so dringlich abraten. Es ist besser für alle, wenn sie bald losschlagen. Es ist besser, wenn wir jetzt fünfhundert Führer erledigen statt später fünfhundert Führer und hunderttausend Gefolgsleute dazu. Ich will, daß in Judäa Ruhe sei«, schloß er hart und heftig.
»Kann die Ruhe nicht anders erkauft werden als mit soviel
Blut?« fragte leise, peinvoll Josef.
Da aber ließ Domitian von ihm ab. »Ich sehe, du liebst mich nicht«, stellte er fest. »Ich sehe, du willst mir keinen Dienst erweisen. Du willst deine alten Geschichten aufschreiben zur größeren Ehre deines Volkes, aber für meine größere Ehre willst du keinen Finger rühren.« Er saß wieder da, mit dem Feldherrnstab führte er leichte Schläge durch die Luft. »Du bist eigentlich sehr frech, mein Jude, weißt du das? Du glaubst, weil du Ruhm und Schande zu verteilen hast, könntest du dir allerlei herausnehmen. Aber wer sagt dir, daß mir soviel an deiner Nachwelt liegt? Nimm dich in acht, mein Jude! Werde nicht übermütig, weil ich dir so oft Großmut gezeigt habe. Rom ist mächtig und kann sich viel Großmut leisten. Aber bleib dir bewußt, daß wir ein Aug auf dir halten.«
Josef war kein furchtsamer Mann, dennoch zitterten ihm die Glieder, als man ihn jetzt in seiner Sänfte nach Hause trug, und der Gaumen war ihm trocken. Es war nicht nur Erwartung des Bösen, das vielleicht Domitian über ihn beschließen könnte. Es war auch, weil der Kaiser in ihm die Erinnerung aufgestört hatte an jene zweideutige Begrüßung des Vespasian. War, was er damals in schwerer Not um sein Leben verkündet hatte, echt gewesen oder ein abenteuerlich frecher Betrug? Er wußte es nicht, niemals wird er es wissen, und daß sich seine Prophezeiung bewährt hatte, das wollte gar nichts heißen. Es wollte andernteils auch nichts heißen, daß ihn dieser Domitian dreist und schlankweg einen Schwindler nannte. Allein seine Sicherheit war fort, und wenn die Angst, es könnten die Leute des Polizeiministers Norban kommen und ihn holen, bald von ihm wich, so kostete es ihn jetzt, nach dem Gespräch mit dem Kaiser, Wochen und Monate, die Erinnerung an jene erste Begegnung mit Vespasian wieder hinunterzudrücken. Sehr langsam nur beruhigte er sich und kehrte zurück zu seiner Arbeit.
Am Tage nach dem Gespräch mit Josef ließ der Kaiser den Janus-Tempel öffnen zum Zeichen, daß wieder Krieg sei im
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