Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
triumphierte.
Phineas sah hoch. »Ist Judäa untergegangen?« fragte er. »Glauben Sie, meine Dorion, es war dem Josephus eine Überraschung, daß die ›Eiferer des Tages‹ so schnell besiegt wurden? Glauben Sie, Judäa und die ›Eiferer des Tages‹ sind ihm ein und dasselbe?«
»Dieser Brief des Paulus«, sagte Dorion, »kränkt mir das Herz, ich gestehe es. Lassen Sie mir diesen einen Trost, daß Josephus noch härter getroffen ist. Was in Judäa geschah, das muß ihn härter treffen als uns diese Briefe des Paulus.« Ihre meerfarbenen Augen sahen beinahe ängstlich zu Phineas auf. Aber: »Sie sind zu klug, Herrin Dorion«, erwiderte mit seiner tiefen, wohlklingenden Stimme Phineas, »sich mit einer Illusion zu trösten. Sie wissen ganz genau, daß das Judäa des Josephus nichts zu tun hat mit der realen Provinz Judäa. Wie jetzt unser Paulus und seine Kameraden in diesem realen Judäa hausen, das ritzt dem Josephus kaum die Haut. Glauben Sie mir’s, sein Judäa ist etwas Abstraktes, mit Feuer und Schwert nicht Erreichbares. Er ist ein Wahnsinniger, wie alle Juden Wahnsinnige sind. Erst gestern wieder habe ich den Hauptmann Baebius gesprochen, der seinerzeit die Schlacht bei Sebaste mitgemacht hatte. Er hat es mir bestätigt, wie viele andere vor ihm, er hat es mit eigenen Augen mitangesehen, wie die Juden während dieser Schlacht ihre Waffen weggeworfen haben. Es klingt unglaubhaft, und die Augenzeugen selber haben es lange nicht glauben wollen. Denn die Schlacht stand für die Juden nicht schlecht, im Gegenteil, sie waren im Vorteil, sie waren unmittelbar vor dem Sieg. Sie haben ihre Waffen weggeworfen einfach deshalb, weil ihre Doktoren ihnen verboten hatten, an ihrem Sabbat zu kämpfen, und weil dieser Sabbat begann. Einfach umbringen haben sie sich lassen. Sie sind verrückt, diese Menschen. Wie wollen Sie, daß das, was jetzt in Judäa geschieht, sie trifft? Und ihr Wortführer und Schriftsteller ist Flavius Josephus.«
»Wovon Sie sprechen, Phineas«, sagte Dorion, »diese Schlacht von Sebaste, das war einmal. Josephus selber hat’s mir erzählt, er war blaß vor Zorn bei der bloßen Erinnerung. Und es ist kein zweites Mal geschehen, es ist Historie, es ist abgelebt.« – »Vielleicht«, gab Phineas zu, »kämpfen sie jetzt wirklich an ihrem Sabbat. Aber ihr Wahnsinn ist geblieben, er äußert sich nur auf andere Art. Schauen Sie sich die Juden hier in Rom an. Viele sind heraufgeklettert, sie sind reich, sie sind geadelt, es gibt zehntausend Ehrgeizige unter ihnen, solche, die nach gesellschaftlicher Anerkennung dürsten. Sie kommen nicht weiter, sie kommen nicht herauf, weil sie Juden sind und, bei aller Toleranz des Gesetzes, gesellschaftlich diffamiert. Warum, beim Zeus, gehen diese reichen Juden nicht hin und schwören ihr Judentum ab? Sie brauchten doch nur dem Standbild eines flavischen Kaisers zu opfern oder sonst einem Gott, und sie wären frei von diesem bösesten Hindernis. Wissen Sie, wie viele von den achtzigtausend Juden hier in Rom es so gemacht haben? Ich bin neugierig, ich habe mich nach der genauen Zahl erkundigt. Wissen Sie, meine Dorion, wie viele ihr Judentum abgeschworen haben? Siebzehn. Von achtzigtausend siebzehn.« Er stand auf; lang und dünn in seinem hellblauen Kleid stand er da, den großen, tiefblassen Kopf gereckt, und bedeutend hob er die lange, dünne Hand. »Glauben Sie, Herrin Dorion, daß man Leute solcher Art wanken macht, wenn man ein paar tausend von ihnen totschlägt? Glauben Sie, daß man das Herz und die Lebenskraft unseres Josephus trifft, wenn man Paulus und seine Legion auf die ›Eiferer des Tages‹ losläßt?«
»Unseres Josephus, haben Sie gesagt«, griff Dorion das Wort auf, »und damit haben Sie recht. Er ist unser Josephus. Uns verbunden durch den Haß, mit dem wir ihn hassen. Das Leben wäre ärmer, wenn wir diesen unsern Haß nicht hätten.« Sie rief sich zurück. »Aber warum sagen Sie mir das alles?« fuhr sie fort. »Warum sprechen Sie es so klar und hoffnungslos aus, daß wir mit all unsern Mitteln nicht an ihn herankönnen?«
Phineas reckte den dünnen Körper noch höher, er hob sich in seinen silbernen Schuhen und ließ sich wieder sinken, und in seiner Stimme war ein kaum unterdrückter, haßvoller Jubel. »Ich habe jetzt das rechte Mittel gefunden«, sagte er, »das einzige.« – »Ein Mittel, den Josephus und seine Juden unterzukriegen?« fragte Dorion; ihr schmaler, zarter Leib reckte sich dem Phineas entgegen,
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