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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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ihre hohe, dünne Stimme war schrill vor Erregung. »Und welches ist es, dieses Mittel?« fragte sie. Phineas kostete ihre Spannung aus. Dann, mit kunstvoller Trockenheit, verkündete er: »Man müßte ihren Gott ausrotten. Man müßte Jahve ausrotten.«
      Dorion dachte scharf nach. Dann, enttäuscht, sagte sie: »Das sind Worte.« Phineas, als hätte er diesen Einwand nicht gehört, erklärte weiter: »Und es gibt einen sichern Weg, das zu erreichen. Bitte, hören Sie zu, Herrin Dorion. Die Römer haben den Staat der Juden zerschlagen, ihr Heer, ihre Polizei, ihren Tempel, ihre Gerichtsbarkeit, ihre Souveränität: aber die Religion der Unterworfenen, ihr ›kulturelles Leben‹, haben sie in ihrer hochmütigen Toleranz nicht angetastet. Insbesondere haben sie den Juden eine kleine Universität belassen, Jabne heißt das Nest, und diese Universität auf Bitten der Juden mit ein paar harmlosen Privilegien ausgestattet. Das Kollegium von Jabne ist oberste Autorität in religiösen Fragen und darf so eine Art Schattenjustiz ausüben. Nun hören Sie zu, meine Dorion. Wenn unsere römischen Herren wirklich die Staatsmänner wären, die zu sein sie sich einbilden, dann hätten sie von Anfang an durchschaut, was es mit diesem Kollegium von Jabne auf sich hat, dann hätten sie diese kleine, harmlose Universität mit ihren Stiefeln zertreten. Denn gäbe es dieses Jabne nicht, dann gäbe es auch keinen Jahve mehr, dann gäbe es keine rebellischen Juden mehr, dann wäre es aus mit unserm Josephus, mit seinem Judentum, mit seinen Büchern und mit seinem unerträglichen Stolz.«
      Nachdenklich, spöttisch, doch mit einem Spott, der sich gerne eines Bessern belehren lassen wollte, entgegnete Dorion: »Sie tun, mein Phineas, als wären Sie in den Seelen der Juden so zu Hause wie in den Straßen Roms. Wollen Sie mir nicht ein bißchen deutlicher erklären, wieso gerade Ihr Jabne solche Bedeutung haben soll?« – »Das will ich gerne«, begann Phineas sie mit sieghafter Gelassenheit zu belehren. »Ich hätte nie gewagt, Ihnen mit solcher Sicherheit von meiner Methode zu sprechen, den Josephus und seine Juden unterzukriegen, wenn ich mich nicht vorher vergewissert hätte, was für eine Bewandtnis es mit diesem Jabne hat. Ich habe kompetente Leute darüber befragt, Beamte und Offiziere, die in der Administration und in der Besatzungstruppe von Judäa beschäftigt waren, vor allem auch den Gouverneur Salviden, und ich habe die Aussagen aller dieser Leute genau verglichen. Es ist so: diese lächerliche Universität besitzt keinerlei Machtbefugnis und strebt sie auch nicht an. Sie ist wirklich nichts als eine kleine, lächerliche Schule für Theologen. Aber es gibt keinen Juden in der ganzen Provinz, der nicht für diese Universität einen gewissen Beitrag zahlte, einen genau festgesetzten, nach seinem Vermögen, es gibt keinen, der sich ihren Entscheidungen nicht fügte. Wohlgemerkt, das tun sie freiwillig. Sie räumen dem Staat Autorität ein, gezwungen, aber sie räumen ihrem Jabne mehr Autorität ein, freiwillig. Sie bringen ihre Streitigkeiten, nicht nur die religiösen, auch die zivilen, nicht vor die Gerichte des Kaisers, sondern vor die Doktoren von Jabne, und sie fügen sich ihrem Urteilsspruch. Es ist vorgekommen, daß die Doktoren Angeklagte zum Tod verurteilt haben; viele solche Fälle sind mir glaubwürdig bezeugt. Natürlich hatten diese Urteile keine Rechtskraft, sie waren akademisch, es waren Gutachten theoretischer Natur, ohne jede Verbindlichkeit. Aber wissen Sie, was die zum Tod verurteilten Juden getan haben? Sie starben. Sie starben wirklich. Gouverneur Salviden hat’s mir erzählt, Naevius, der Großrichter, hat es mir bestätigt, auch Hauptmann Opiter. Wie diese Juden starben, ob sie sich umgebracht haben oder ob sie umgebracht wurden, das konnte ich nicht ermitteln. Aber soviel ist gewiß, sie hätten sich nur unter römischen Schutz zu stellen brauchen, und sie hätten fröhlich, ja höchst demonstrativ weiterleben können. Sie haben es aber vorgezogen zu sterben.«
      Dorion schwieg. Starr saß sie da, reglos, braun und dünn, wie eines jener frühen, harten, eckigen, ägyptischen Porträts. »Ich sage Ihnen, meine Dorion«, nahm Phineas seine Rede wieder auf, »diese Universität Jabne ist die Festung der Juden, eine sehr starke Festung, stärker, als es Jerusalem und der Tempel war, wahrscheinlich die stärkste Festung der Welt, und ihre unsichtbaren Mauern sind schwerer zu nehmen als das

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