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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Jochanan Ben Sakkai, dem Begründer des Kollegiums von Jabne, vorgeschwebt: er hatte die Einheit der Juden gesichert durch ein Zeremonialgesetz, an dem er nicht deuteln und rütteln ließ. Er hatte die Autorität des ver lorengegangenen Staates durch die Autorität von Brauch und Lehre ersetzt. Großdoktor Gamaliel wurde von vielen gehaßt, von einigen geliebt, von allen geachtet.
      Er erkannte sogleich, daß die Entscheidung über das Schicksal Jabnes und damit des Judentums nicht von dem Gouverneur in Cäsarea gefällt werden würde, sondern in Rom, vom Kaiser selber. Seit Jahren hatte sich Gamaliel mit dem Plan getragen, nach Rom zu reisen und die Sache seines Volkes vor dem Angesicht des Kaisers zu vertreten. Allein das Zeremonialgesetz verbot, am Sabbat zu reisen, und er, der Hüter des Zeremonialgesetzes, konnte somit nicht wohl eine Reise antreten, die ihn gezwungen hätte, auch am Sabbat auf See zu sein. Er dachte daran, seinem Kollegium die Frage vorzulegen, ob es nicht auch in diesem Fall, da Gefahr für die Lehre und für die gesamte Judenheit bestand, erlaubt sei, die Sabbatgesetze zu übertreten, wie in der Schlacht. Allein die Doktoren hätten darüber nach der üblichen Weise Jahre hindurch debattiert. Der Großdoktor, da es not tat, scheute nicht das Gemurre, ging despotisch vor, bestimmte einige seiner Herren, ihn zu begleiten, und zu siebent, das war eine heilige Ziffer, schifften sie sich nach Rom ein.
      Großartig kam er in Rom an. Johann von Gischala hatte ein Palais für ihn ausfindig gemacht. Hier hatten einstmals der jüdische Titularkönig Agrippa und die Prinzessin Berenike die Huldigungen des römischen Adels entgegengenommen. Hier jetzt hielt der Großdoktor hof.
      Von diesem Haus in Rom aus wurde jetzt die Judenheit des Erdkreises regiert. Gamaliel machte von sich und seinen Geschäften kein Wesen. Er gab keine prunkvollen Feste, er trat freundlich auf, ohne Anmaßung. Trotzdem wirkte er überlegen, ja königlich, und nun er in Rom war, wurde plötzlich offenbar, daß die Judenheit, obwohl politisch entmachtet, noch ein Faktor in der Welt war. Minister, Senatoren, Künstler und Schriftsteller drängten sich an Gamaliel heran.
      Domitian selber aber ließ nichts von sich hören. Der Großdoktor hatte sich, wie es der Brauch war, auf dem Palatin gemeldet, und er hatte Hofmarschall Crispin ersucht, dem Kaiser die Ergebenheit der Juden aussprechen zu dürfen und ihre tiefe Zerknirschung über die Tollheit jener, die sich gegen sein Regiment aufzulehnen gewagt hätten. »So, will er das?« fragte der Kaiser und lächelte. Bescheid aber gab er nicht, er sprach auch nicht weiter über den Großdoktor, und weder vor seinen vertrauten Räten noch vor Lucia oder Julia oder sonst einem ließ er ein Wort über Gamaliel oder über das Kollegium von Jabne verlauten.
      Um so mehr beschäftigte die Anwesenheit des Großdoktors den Prinzen Flavius Clemens und dessen Frau Domitilla.
      Unter den Minäern der Stadt Rom nämlich, die sich jetzt übrigens immer häufiger nicht mehr Minäer, sondern Christen nannten, hatte Gamaliels Ankunft große Erregung hervorgerufen. Wo immer dieser Mann erscheine, setzte Jakob aus Sekanja, ihr Führer, seinem Gönner, dem Prinzen, auseinander, wo immer dieser Gamaliel erscheine, bringe er den Christen und ihrer Lehre Gefahr. Auf tückische Art, indem er sie habe zwingen wollen, sich selber im Gebet zu verfluchen, habe er sie, die gerne Juden geblieben wären, aus der Gemeinschaft der andern ausgetrieben und das Judentum gespalten in eine neue Lehre und in eine alte.
      Prinz Clemens hörte aufmerksam zu. Er war zwei Jahre älter als der Kaiser, doch er wirkte jünger; es fehlte ihm das starke Kinn der Flavier, und das freundliche Gesicht mit den blaßblauen Augen und dem aschblonden Haar zeigte knabenhaft helle Farben. Domitian machte sich gern über ihn lustig und bezeichnete ihn als träg von Geist. Clemens indes war nur langsam von Auffassung. Auch heute wieder wollte er erklärt haben, was denn nun eigentlich den Unterschied ausmache zwischen der alten jüdischen Lehre und derjenigen der Christen, und wiewohl er das nun zum dritten- oder viertenmal fragte, erläuterte es ihm Jakob aus Sekanja mit Geduld. »Gamaliel wird behaupten«, sagte er, »wir seien keine Juden, weil wir glaubten, der Messias sei bereits erschienen, und solcher Glaube sei ›Leugnung des Prinzips‹. Aber dies ist nicht sein Hauptgrund. Sein tiefster Grund ist, daß er die

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