Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
schlägt dem Feinde den Kopf ab. Jeder Schritt in jeder Lage ist vorgeschrieben.
Aber welch ein hinreißendes Buch trotzdem. Dieses Weib Judith, wie es zurückkehrt, triumphierend, mit dem abgeschlagenen Kopf und dem Mückennetz, keiner wird es je vergessen. Oh, die begnadete Zuversicht des Dichters. »Wehe den Völkern, die sich erheben wider mein Geschlecht. Der Allmächtige züchtigt sie am Tage des Gerichts, er jagt Feuer und Würmer in ihr Fleisch, daß sie in Schmerzen heulen durch alle Ewigkeit.«
Wer dichten dürfte wie dieser! Ihm, Josef, ist es nicht so einfach gemacht. Da ist jene Heldenfrau aus der grauen Urzeit seines Volkes, Jael, die dem schlafenden Feinde den Nagel durch die Schläfe treibt. Diese Jael und der uralte, wilde und großartige Gesang ihrer Dichterin Deborah waren zweifellos die Vorbilder dieser Judith. Auch er, Josef, hat in seinem Geschichtswerk von dieser Jael erzählt. Wie hat er sich abgemüht, nüchtern und vernünftig zu bleiben, wie hat er sich bezähmt und die Begeisterung niedergedrückt. Einmal sich gehenlassen dürfen wie dieser junge Dichter! Wieder und wieder liest er das kleine Buch, es gießt ihm Feuer ins Blut. Der Aufstand ist zusammengebrochen, dieses Buch wird bleiben.
Ein paar Tage später traf er den Justus. Auch der hatte das Buch Judith gelesen. Was für ein primitives Machwerk! Ein Volk, das sich an einem so unsinnigen Märchen begeistert, das verdient seine »Eiferer des Tages«, das verdient seine Römer, das verdient diesen Gouverneur Longin, diesen Domitian. Was für ein wackerer Autor! Wie züchtig ist seine Judith, nicht einmal schlafen muß sie mit dem bösen Holofernes. Der Autor bewahrt sie davor, sie kommt schon vorher ans Ziel. Wie gerecht und Zug um Zug belohnt der Jahve dieses Autors das Gute, straft er das Böse. Stellen Sie sich einmal vor, mein Josef, wie sich ein realer römischer Gouverneur oder auch nur ein realer römischer Feldwebel im Falle des Holofernes verhielte! Da kommt so eine Judith zu ihm, begleitet von der Zofe, die ihr die Speisen nachträgt, natürlich sorgsam bereitet nach den rituellen Vorschriften der Doktoren, damit sie ja nicht im Lager der Feinde etwas Verbotenes essen muß. Sie wird sofort vorgelassen, was denn sonst?, weil sie so schön ist. Es gibt ja für einen Feldmarschall kein Angebot an hübschen Frauen, er muß warten, bis die Jüdin kommt. Und wenn sie da ist, dann vergißt er nicht nur sofort den ganzen Krieg, sondern er betrinkt sich, genau wie es vorgesehen ist, und rührt die ebenso fromme wie schöne Jüdin nicht an. Er legt sich einfach hin und läßt sich von ihr den Kopf abhauen. Woraufhin die gesamten Legionen ohne weiteres davonlaufen. Ach ja, so stel len sich unsere »Eiferer des Tages« die Römer, so stellen sie sich die Welt vor.
So, voll hochmütiger Bitterkeit, voll höhnischer Überlegenheit, sprach Justus über das Buch Judith. Josef konnte nicht leugnen, daß seine Kritik Schwächen des Buches traf. Aber gerade diese Schwächen waren die Stärke des Dichters, das Buch wurde dadurch nicht schlechter, und groß und erhaben blieb dem Josef das Bild der Judith, die den Ihren den Kopf des Holofernes bringt: »Siehe, da ist der Kopf des Holofernes, des Feldherrn der Assyrer, und siehe, da ist das Mückennetz, unter dem er lag in seiner Trunkenheit!«
Es war dem Josef, als müßte er das Buch und den toten Dichter reinwaschen vom Hohne des Justus, und er ging hin und brachte es Mara, seiner Frau.
Mara las. Ihre Augen glühten, ihr Leib straffte sich, sie wurde ganz jung. Vor sich hin sprach sie das Lied der Judith: »Nicht fiel der Feind, der gewaltige, durch Jünglinge, nicht die Söhne der Riesen schlugen ihn, sondern Judith verdarb ihn, ein einfaches Weib, durch ihres Angesichtes Schönheit.« Ach, wie leid war es Mara, daß man in Rom war und nicht in Judäa.
Sie vereinfachte das Buch und erzählte den Kindern die Geschichte von Judith. Die Kinder spielten. Jalta war Judith, und Matthias war Holofernes, und Jalta holte einen Kohlkopf aus dem Korb und krähte triumphierend: »Siehe da, das Haupt des Holofernes, Feldherrn der Assyrer!«
Josef sah es, und er wußte nicht, ob er nicht falsch daran getan hatte, selber das frevelhafte Feuer zu schüren, wenn auch auf unschuldige Art. Dann aber lächelte er, und Maras Begeisterung wärmte ihm das Herz.
Die Juden der Stadt Rom aber lebten graue Tage und graue Wochen. Denn der Kaiser reiste langsam, der Kaiser gab auch
Weitere Kostenlose Bücher