Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
blieb Domitilla pedantisch beim Konkreten, »dieser Großdoktor wird auch seinen Aufenthalt hier in Rom dazu benutzen, euch zu schädigen?« – »Gewiß wird er das«, antwortete Jakob. »Er wird seine Universität Jabne und sein Zeremonialgesetz retten wollen, indem er uns verdächtigt. Er wird bestrebt sein, die Abneigung des Kaisers auf uns abzulenken. Mit solchen Mitteln hat er von jeher gearbeitet. Er und seine Juden sind harmlose Lämmer: die Aufrührer, das sind wir. Wir sind die Proselytenmacher, wir wollen die Römer abziehen von Jupiter zu Jahve. In Cäsarea, beim Gouverneur, ist er mit solchen Argumenten häufig durchgedrungen: warum sollte er es nicht beim Kaiser selber versuchen?«
»Ich kenne ihn«, sagte Domitilla, »ich kenne Jenen.« Auch jetzt nannte sie ihren Onkel, den Kaiser, »Jenen«. »Ich kenne Jenen«, sagte also die dünne, blonde, trocken fanatische junge Frau. »Bestimmt will er Jupiter schirmen, seinen Jupiter, den Jupiter, wie er ihn versteht. Bestimmt also sinnt er Jahve Böses. Er zögert immer lange, ehe er zuschlägt, und wahrscheinlich macht er keinen Unterschied zwischen euch und den Juden, wahrscheinlich ist es ihm gleichgültig, ob er den Großdoktor trifft und sein Jabne oder euch. Er hat die Hand gehoben, er wird sie fallen lassen. Es kommt darauf an, auf wen seine Aufmerksamkeit gelenkt wird.«
Clemens hatte seiner Frau beflissen zugehört, ein gewissenhafter, doch langsamer Schüler. »Wenn ich dich recht verstehe«, überlegte er, »dann sollten wir also, wenn wir unsern Jakob und seine Lehre retten wollen, DDDs Aufmerksamkeit hinlenken auf die Universität Jabne. Er müßte den Großdoktor schlagen und sein Jabne.« Des Prinzen blaßblaue Augen hatten sich verdunkelt vor Eifer. Auch Domitillas Blick suchte den Mund Jakobs.
Der wollte sich nicht den Vorwurf machen müssen, es sei Rachsucht in seinem Herzen. Wenn er gegen Gamaliel vorging, dann nicht aus Eifersucht, sondern nur deshalb, weil er keinen andern Weg sah, den eigenen Glauben zu retten. »Ich hasse den Großdoktor nicht«, sagte er still und bedachtsam. »Wir hassen niemand. Wenn wir Feindschaft leiden, dann nicht deshalb, weil wir Feindschaft üben. Wir bewirken Feindschaft einfach durch unsere Existenz.«
»Sind Sie also oder sind Sie nicht der Meinung«, beharrte Domitilla, »das beste Mittel, euch zu retten, bleibt das Verbot von Jabne?« – »Leider scheint das das beste Mittel«, antwortete bedachtsam Jakob.
Der einzige Weg, den Domitilla einschlagen konnte, um von Jenem das Verbot zu erwirken, führte über Julia.
Julias Beziehungen zu Domitian hatten Wandlungen durchgemacht. Zunächst war es so gekommen, wie Julia befürchtet hatte: DDDs Stimmung gegen sie war nach Lucias Rückkehr umgeschlagen. Lucia hatte ihn ganz ausgefüllt, und auf sie, Julia, sah er mit kritischen, gehässigen Augen. Als sie, bevor er zu Felde zog, zu ihm gekommen war, um ihm Lebewohl zu sagen, hatte er sie, so ruhig sie war, durch höhnische Bemerkungen bis aufs Blut gereizt. Mit einem Kopf wie dem ihren, hatte er gespottet, könne man keinen Sinn für Größe haben, sicher habe sie trotz seines Verbots mit diesem Lahmarsch von einem Sabin geschlafen, des Sabin Kind trage sie im Leib, sie solle sich ja nicht einbilden, daß er jemals ihren Balg adoptieren werde. Nun hatte aber Julia wirklich nicht mit Sabin geschlafen, es war keine Frage, daß die Frucht, die sie trug, von Domitian stammte, und sein bösartiges Mißtrauen kränkte sie um so mehr, als es ihr nicht leichtgefallen war, mitanzusehen, wie sich ihr Mann Sabin neben ihr in Ohnmacht und Demütigung verzehrte. Es war peinvoll für die sonst so ruhige Dame, während der ganzen Abwesenheit des Kaisers neben dem stummen und vorwurfsvollen Sabin herzuleben, Nacht und Tag litt sie bitter daran, daß sie DDD seinen läppischen Verdacht nicht hatte ausreden können, und als sie schließlich kurz vor der Rückkehr Domitians ein totes Kind zur Welt brachte, führte sie das zurück auf die Aufregungen, die ihr die kleinliche Zweifelsucht des menschenfeindlichen Kaisers bereitet hatte.
Domitian hatte also, aus dem dakischen Krieg zurückkehrend, eine veränderte Julia vorgefunden. Sie hatte von ihrer fleischigen Fülle einiges verloren, ihr weißhäutiges, gelassen hochmütiges Gesicht schien weniger träge, schien geistiger. Andernteils hatte Lucia ihn anders empfangen, als er erwartet hatte. Keineswegs hatte sie den ruhmvoll zurückkehrenden Sieger in
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