Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Krone durch ihr Schweigen festgelegt habe. Auch früher schon habe man zuweilen Gesandte, ja selbst Könige barbarischer Völker Monate hin durch auf eine Audienz warten lassen. Alle schauten ein klein wenig hoch und auf den Kaiser, als der Ägypter, seinem Haß die Zügel schießenlassend, von den Juden als von Barbaren sprach. Aber der Kaiser blieb reglos.
Der Polizeiminister Norban sprang dem Crispin bei. »An sich schon«, sagte er, »ist die von niemand gewünschte Reise des jüdischen Erzpriesters nach Rom eine Zudringlichkeit und Anmaßung. Wenn der Erzpriester eine Bitte oder Beschwerde hat, dann möge er sich gefälligst an die zuständige Stelle wenden, an den kaiserlichen Gouverneur in Cäsarea. Meine Beamten berichten mir übereinstimmend, daß die Frechheit der Juden seit der Ankunft ihres Erzpriesters in Rom zugenommen hat. Das Verbot der Universität Jabne wäre ein geeignetes Mittel, diese Insolenz zu dämpfen.«
Norban versuchte, das breite, vierschrötige Gesicht, in das die modischen Stirnlocken des dicken, tiefschwarzen Haares grotesk hereinfielen, unbeteiligt zu halten und die Stimme sachlich. Dennoch schienen dem Kaiser die grobfädigen Sätze seines Polizeiministers nicht geeignet, die Beweise des Regin zu entkräften. Er saß da, unmutig, schwieg, wartete. Wartete auf bessere Gegenargumente, die ihm seine Entschlußfreiheit zurückgeben sollten. Da kam ihm derjenige seiner Räte zu Hilfe, von dem er das am wenigsten erhofft hatte, Annius Bassus. Dem schlichten Soldaten hatte die Dame Dorion mit Geduld und Geschicklichkeit Argumente vorgekaut, die für die Wirkung auf Domitian zugestutzt waren, immer wieder, so lange, bis Annius sie für seine eigenen hielt. Gewiß, legte er umständlich dar, entspreche es altrömischer Staatsweisheit und Tradition, das kulturelle Leben der unterworfenen Länder zu schonen und den besiegten Völkern ihre Götter und ihre Religion zu belassen. Allein die Juden hätten sich selber dieses Privilegs beraubt. Sie hätten es in tückischer Absicht dem großmütigen Sieger unmöglich gemacht, ihre Religion von ihrer Politik zu scheiden, indem sie diese ihre Religion bis ins Innerste mit Politik durchtränkten. Wenn man sie anders behandle als die übrigen unterworfenen Nationen, so würden diese das begreifen und keine falschen Schlüsse daraus ziehen. Denn die Juden hätten es von jeher darauf angelegt, ein Aus nahmevolk zu sein, und sie schieden sich selber feindselig aus dem friedlichen Kreis der kulturell autonomen Nationen, aus denen sich das Reich zusammensetze. Auch sei ihr Gott Jahve kein Gott wie der anderer Völker, er sei kein richtiger Gott, es gebe kein Bild von ihm, nicht könne man wie die Statuen anderer Götter eine Statue von ihm in einem römischen Tempel aufstellen. Er sei gestaltlos, er sei nichts anderes als der aufsässige Geist jüdisch-nationaler Politik.
Schwerlich könne man, wenn anders man die Juden wirklich unterwerfen wolle, diesen Gott Jahve schonen, schwerlich seine Universität Jabne. Denn Jahve, das sei einfach ein Synonym für Hochverrat.
Man war sonst von dem einfachen Soldaten Annius Bassus so geistreiche Reden nicht gewohnt. Marull und Regin lächelten; sie ahnten die Zusammenhänge, sie ahnten, daß hinter diesen Ausführungen die Dame Dorion stand. Der Kaiser aber hörte die Sätze seines Kriegsministers mit Vergnügen. Von wem immer sie stammen mochten, sie schienen ihm eine ernsthafte Antwort auf die Bedenken des Regin und gaben ihm, dem Kaiser, seine Entschlußfreiheit zurück.
Er hatte genug gehört von diesem Großdoktor und seiner Universität. Mit einer Handbewegung wischte er den ganzen Gegenstand fort und sprach von anderem.
Am nächsten Abend aber speiste er allein mit Jupiter, Juno und Minerva. Eine Gliederpuppe, angetan mit den Kleidern des Jupiter, versehen mit einer kunstvollen Wachsmaske, die das Gesicht des Gottes wiedergab, lag auf dem Speisesofa, und auf hohen, goldenen Stühlen saßen Gliederpuppen mit den Wachsmasken der beiden Göttinnen. Mit ihnen also speiste der Gott Domitian. Die Diener trugen die Gerichte ab und zu, in weißen Sandalen; sie waren von lautloser, ängstlicher Beflissenheit, um das Gespräch nicht zu stören, das Domitian mit seinen Gästen, den Göttern, führte.
Der Kaiser wollte sich mit seinen Göttern beraten über seinen schwierigen Handel mit diesem fremden Gotte Jahve. Denn geteilt wie die Stimmen seiner Räte waren die Stimmen in seinem eigenen
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