Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
ihm gesehen, er hatte ihr nicht einreden können, daß der dakische Krieg, der sich noch immer hinzog, ein Erfolg geworden sei. Es verdroß ihn, daß sie ihn heiter und überlegen auslachte; es verdroß ihn, daß sie bei nahe alle seine kleinen Schwächen durchschaute; es verdroß ihn, daß sie so vieles an ihm nicht gelten ließ, worauf er stolz war; es verdroß ihn, daß die Privilegien, die sie ihm für ihre Ziegeleien abgelistet hatte, viel Geld brachten, während seine Kasse unter den Folgen des Krieges litt. Dies alles machte, daß Domitian Julia wieder mit neuem, freundlicherem Blick sah. Jetzt glaubte er ihr, daß das Kind, das sie geboren, sein Kind gewesen sei, er glaubte ihr, daß seine ungerechten Vorwürfe den Tod dieses Kindes bewirkt hätten, er begehrte sie von neuem, und daß ihm die bekümmerte, erbitterte Frau nicht mit der lässigen Freundlichkeit von früher entgegenkam, steigerte nur seine Begier.
Domitilla also wußte, daß ihre Schwägerin und Kusine Julia von neuem des Kaisers Ohr hatte. Von Jakob hatte Domitilla gelernt, daß man, gerade um eine gute Sache durchzusetzen, sanft wie eine Taube und klug wie eine Schlange sein müsse. Sie beschloß, Julia den Fall der Universität von Jabne so darzustellen, daß Julia das Verbot zu ihrer eigenen Sache machen mußte.
Behutsam wußte sie die Angelegenheit der Universität Jabne in Verbindung zu bringen mit der Eifersucht des Domitian auf Titus. Julias Vater, Titus, hatte Jerusalem erobert und zerstört, er war der Besieger Judäas. Diesen Ruhm aber gönnte Jener ihm nicht. Es lag Jenem daran, sich selber, Rom und der Welt zu erweisen, daß Titus mit seiner Aufgabe, der Besiegung Judäas, eben doch nicht fertig geworden war, so daß ihm, Domitian, noch viel zu tun übrigblieb: die wahre Niederwerfung der Provinz. Wenn Jener es zum Beispiel zuließ, daß dieser lächerliche Großdoktor der Juden hier in Rom dermaßen auftrat und sich spreizte, dann nur deshalb, weil er der Stadt einen neuen Beweis geben wollte, daß die Juden nach wie vor eine politische Macht seien, daß Titus nicht mit ihnen zu Rande gekommen sei, daß mit ihnen aufzuräumen eine Aufgabe sei, welche die Götter ihm, dem Domitian, vorbehalten hätten.
Ansichten solcher Art also äußerte die kluge Domitilla vor Julia, und nachdem sie sie verlassen hatte, spann denn auch Julia, genau wie es Domitilla gewollt, diesen Faden selbständig weiter. Es war klar, aus purem bösem Willen, nur um das Andenken ihres Vaters Titus zu verkleinern, ließ es DDD geschehen, daß dieser jüdische Großpfaffe so dreist in Rom herumging. Was Domitilla da anregte, das Verbot der Universität Jabne, das war gar nicht so schlecht. Sie, Julia, hatte nach allem, was DDD ihr angetan, ein Anrecht auf einen sichtbaren Gnadenbeweis. Sie wird verlangen, daß er das Andenken ihres Vaters Titus nicht weiter durch kunstvolle Intrigen verunglimpfe. Sie wird verlangen, daß er Jabne verbiete.
Domitilla hatte erreicht, was sie angestrebt: Julia war, ohne zu wissen, zur Parteigängerin der Minäer geworden.
Als Domitian sie das nächste Mal zu sich bat, machte sie sich mit besonderer Sorgfalt zurecht. Turmartig, in sieben Lokkenreihen übereinander, mit Juwelen durchflochten, krönte ihr schönes, weizenblondes Haar das weiße Gesicht. Mit einer Spur Schminke machte sie die kräftigen, sinnlichen, flavischen Lippen noch röter. Zehnmal berechnete sie jede Falte des blauen Kleides. Lange mit ihren Beraterinnen wählte sie unter ihren zahllosen Parfüms.
So geschmückt kam sie zu Domitian. Sie fand ihn gutgelaunt und empfänglich. Wie immer in der letzten Zeit vermied sie Vertraulichkeiten; hingegen erzählte sie ihm allerlei Gesellschaftsklatsch, und beiläufig brachte sie das Gespräch auch auf den Erzpriester der Juden. Sie finde sein Auftreten hier in Rom skandalös, er benehme sich wie ein unabhängiger Fürst. Er halte seine lächerliche Universität – vermutlich eine Art Dorfschule, auf der allerhand Aberglaube gelehrt werde – für den Mittelpunkt der Welt, und da in dem versnobten Rom eine Meinung um so schneller Anhänger finde, je aberwitziger sie sei, und da niemand dem jüdischen Pfaffen entgegentrete, so werde es noch dahin kommen, daß junge Römer nach Jabne gingen, um dort zu studieren.
Julia brachte das alles mit dem rechten Unterton kleiner Ironie vor. Trotzdem vermutete der mißtrauische Domitian hinter ihr seine verhaßten Vettern. Mit schiefem Lächeln erwiderte
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