Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Innern. Es trieb ihn, das Lehrhaus von Jabne zu zerstören, und es trieb ihn, es mit starker Hand zu beschirmen. Er wurde nicht fertig mit diesem Problem.
Mit Isis oder mit Mithras kann man fertig werden; man kann ihnen Statuen errichten, und es gibt viele Arten, sie zu versöhnen, wenn man ihre Verehrer gekränkt hat. Was aber soll man mit diesem Gotte Jahve anfangen, von dem es kein Bild gibt und kein Gesicht, der wesenlos ist wie flimmernde, fiebrige Luft, die man nicht greifen kann, die man erst an ihren bösen Folgen erkennt?
Annius Bassus hat ihm erzählt, wie sehr seinerzeit das Haus dieses Jahve, der Tempel, dieses Weiß und Goldene, das da, wie es die Soldaten nannten, die Seelen der Belagerer getrübt und krank gemacht hat. Schier um den Verstand hat es sie gebracht. Titus hat sein Leben lang Angst gehabt vor der Rache dieses Gottes Jahve, weil er ihn durch die Zerstörung seines Hauses beleidigt hat. Und das Letzte, was er tat, war, daß er sich bei dem Juden Josephus entschuldigte um dieser Beleidigung willen.
Er, Domitian, kennt keine Furcht, aber er ist der Erzpriester, der irdische Repräsentant des Capitolinischen Jupiter, er ehrt alle Götter, und er hütet sich, mit dem fremden Gott und mit dessen Erzpriester anzubinden. Vorsichtig umgehen wird er mit diesem Großdoktor. Denn die Juden sind schlau. Wie sich stürmende Belagerungstruppen hinter den Dächern ihrer Schildkröte decken, so verstecken sich die Juden hinter ihrem unsichtbaren Gott.
Aber vielleicht ist auch alles Schwindel. Vielleicht existiert er gar nicht, der unsichtbare Gott.
Seine eigenen Götter müssen ihm helfen, ihm raten. Darum hat er sich feierlich geschmückt und sie zu Gast gebeten, darum speist er mit ihnen, darum dampfen ihnen auf goldenen Tellern Schwein, Lamm und Rind.
Er bemüht sich, seiner Gäste würdig zu sein, halbhoch jetzt richtet er sich, bestrebt, seinem Gesicht den Ausdruck zu geben, den seine Büsten tragen. Den Kopf mit der Löwenstirn stolz nach oben, die Brauen drohend zusammengezogen, die Augen flammend, herausfordernd, die Nüstern etwas gebläht, den Mund halb offen, so taucht er den Blick in den seiner göttlichen Gäste und heischt von ihnen Eingebung, Rat. Da Jupiter ihm schweigt und Juno keine Stimme für ihn hat, wendet er sich der Minerva zu, seiner Lieblingsgöttin. Da sitzt sie. Er hat sie befreit von der Verniedlichung, von der billigen Idealisierung durch ihre Bildner, er hat ihr die Eulenaugen zurückgegeben, die sie ursprünglich gehabt hatte; Kritias, der große Spezialist, hat sie ihr einsetzen müssen.
Ja, ihm, Domitian, ist sie die eulenäugige Minerva. Er spürt das Tier in ihr, wie er das Tier in sich selber spürt, die gewaltige Urkraft. Mit seinen eigenen großen, vorgewölbten, kurzsichtigen Augen starrt er in die großen, runden Eulenaugen der Göttin. Ihr tief verbunden fühlt er sich. Und er spricht zu ihr; laut, ohne Scheu vor den verstörten Dienern, die sich bestreben, nicht hinzuhören, und die doch hinhören müssen, spricht er zu ihr. Er versucht, seine scharfe Stimme sanft zu machen, er gibt der Göttin Schmeichelnamen, griechische, lateinische, alle, die ihm beifallen. Stadtschirmerin nennt er sie, Schlüsselbewahrerin, Abwehrerin, kleine, liebe Vorkämpferin, meine Unbezwungene, Siegerin, Beutemacherin, Trompetenerfinderin, Helferin, Sinnreiche, Scharfblickende, Erfinderische. Und siehe, endlich fügt sie sich und spricht ihm. Dieser Jahve, sagt sie ihm, ist ein listiger Gott, ein östlicher Gott, ein rechter Schlaukopf. Hereinlegen will er dich, den Römer, mit seiner Universität Jabne. Zu einem Sakrileg will er dich verlocken, damit er Grund habe, dich zu züchtigen und zu verderben; denn er ist rachsüchtig, und nachdem dein Bruder schon bei den Untern ist, möchte er sich an dich halten und dich zausen. Bleib ruhig, laß dich nicht hinreißen, hab Geduld!
Domitian lächelt, sein tiefes, dunkles Lächeln. Nein, der Gott Jahve soll den Gott Domitian nicht hereinlegen. Er denkt gar nicht daran, dieses alberne Lehrhaus in Jabne zu verbieten. Aber auf die Nase binden wird er das diesem Großdoktor nicht. Wenn der Gott Jahve von ihm, Domitian, Geduld verlangt, dann verlangt er, der Kaiser Domitian, Geduld von diesem Erzpriester. Ihn schmoren lassen in seiner Angst wird er. Zerfließen und zerschmelzen vor lauter Warten soll der Mann.
Heiter, dankbaren Gemütes, trennte sich Domitian von seinen Göttern.
Und der Großdoktor
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