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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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fröhliche List, »sie können es nicht herausfinden, worin eigentlich dieses Gefährliche besteht. Die Römer können die Welt nur begreifen, soweit sie sie in aktenmäßige Formeln pressen können; eine andere Art Geistigkeit kennen sie nicht, im Grunde sind sie Barbaren. Was wir gemacht haben, das aber entzieht sich jeder Möglichkeit, in eine juristische Formel gepreßt zu werden. Wir fügen uns in allem, wir sind dienstwillig, wir geben uns keine Blöße, wir haben selbst den Aufstand bekämpft. Kurz, wenn man das Recht, wenn man römisches Recht und römische Tradition nicht beugen will, kann man unserer Universität nicht an. Und fühlt sich nicht gerade dieser Kaiser Domitian als der von seinen Göttern eingesetzte Hüter römischen Rechtes und römischer Tradition?
      Nun aber sind da unsere Feinde, viele und mächtige Feinde. Da sind die Prinzen Sabin und Clemens und ihr ganzer Anhang, da ist der Kriegsminister Annius Bassus und Ihre frühere Gattin Dorion, da ist das ganze Minäergesindel. Alle diese unsere Feinde liegen dem Kaiser an, uns zu verbieten, und er möchte am liebsten diesen Bitten nachgeben. Das einzige also, was zwischen uns und der Vernichtung steht, ist des Kaisers Andacht zur Tradition, zu den römischen Prinzipien. So schwankt er zwischen seinem, nennen wir es, Rechtssinn und seinen von unsern Feinden geschürten Antipathien gegen uns, schwankt, wartet, hört uns einfach nicht an, läßt uns nicht vor. Von seinem Standpunkt aus gesehen, ist das das Beste, was er tun kann. Er vermeidet so das Odium, die Universität Jabne zu zerschlagen, gleichzeitig aber schwächt er, indem er mich hier warten läßt, unser Prestige, er macht Jahve und das Judentum lächerlich, er zermürbt unser Jabne.«
      Josef mußte zugeben, man konnte die Situation nicht klarer darstellen als dieser Großdoktor. Der sprach weiter. »Dabei wüßte ich«, sagte er nachdenklich, »wie ich diesen Kaiser zu nehmen hätte. Ich würde ihn bei seinem Traditionalismus zu packen suchen, bei seiner Religion. Denn, so seltsam es klingt, dieser Mann hat bestimmt Religion in sich; vieles, was er tut und nicht tut, läßt sich anders nicht erklären. Es mag eine ver zwickte, sehr heidnische Religion sein, sicher glaubt er an viele Baalim, aber es ist Religion, und bei dieser seiner Religion müßte man ansetzen. Man müßte sich der List bedienen, man müßte für ihn Jahve zu einem Baal machen, zu einem plumpen, gefährlichen Götzen, zu einer Gottheit, wie er sie versteht und vor der er Angst hat. Ist das auch wieder Gotteslästerung? Klingen Ihnen solche Worte verrucht, wenn Jahves Erzpriester sie spricht? Aber heute mehr als je muß der Erzpriester Politiker sein. Jedes Mittel ist recht, wenn es nur dazu hilft, daß das Volk Jahves diese seine dritte Wüste übersteht, daß es nicht darin umkommt. Am Leben muß es bleiben! Denn die Idee, denn Jahve kann nicht leben ohne sein Volk.«
      Jetzt erschrak Josef in seinem Herzen. Dieser letzte Satz war in Wahrheit Gotteslästerung und verrucht, gerade im Munde des Großdoktors. Auf so gefährliche Gipfel führte die Politik einen Mann, der nichts wollte als Gott und Gottes Dienst.
      »Ja, ich wüßte, wie ich diesen Kaiser zu nehmen hätte«, nahm Gamaliel seine Rede wieder auf. »Nur: er läßt mich ja nicht an sich heran. Ich gestehe es Ihnen«, brach er aus, ergrimmt, »manchmal brennt mir die Haut vor Warten und Ungeduld! Es ist nicht meinethalb, ich bin nicht eitel; ich kann Kränkungen einstecken. Aber es geht nicht um mich, es geht um Israel. Ich muß diese Zusammenkunft haben. Aber unsere Freunde, so guten Willens und so geschickt sie sind, diesmal versagen sie. Regin schafft es nicht, Marull schafft es nicht, Johann von Gischala schafft es nicht. Es gibt nur einen Mann, der es vielleicht noch schaffen könnte: Sie, mein Josef. Helfen Sie uns!«
      Josef, so angerufen, stand zwiespältigen Gefühles. Es war schwer, sich dem Werben des Großdoktors zu entziehen. Die bedenkenlose Politik des Mannes, der den Gott der ganzen Welt aufgegeben hatte, um dem Gotte Israels zu dienen, stieß Josef ebenso ab, wie sie ihn anzog. Was Gamaliel von ihm verlangte, das war Aktion, Betrieb, Geschäftigkeit, genau das, was Josef mit vollem Bedacht alle diese Jahre hindurch vermieden hatte. Wer handeln will, muß Kompromisse machen; wer handeln will, muß sein Gewissen schweigen heißen. Der Großdoktor war eingesetzt, Taten zu tun, das war ihm aufge geben, er hatte den Kopf dafür

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