Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
anvertraut. Ich kann verzeihen, wenn es um meinen eigenen Herd geht« – er lächelte Lucia bösartig-höflich an –, »aber unmöglich kann ich verzeihen, wenn es um die Reinheit des Herdes geht, der die Makellosigkeit des Ganzen versinnbildlicht.«
Er wollte in einen Seitengang einbiegen, sie aber zog es vor, die Platanenallee zurückzugehen, und er folgte gehorsam. »Merken Sie nicht«, fragte sie, »daß Sie, sagen wir, widerspruchsvoll handeln? Ein Mann, der ein Leben führt wie Sie – man erzählt sich, daß Sie es jüngst mit mehreren Frauen getrieben haben in Gegenwart des blinden Messalin, den Blinden hetzend und höhnend, daß er errate, wen, wer und wie –, ein Mann, der ein solches Leben führt, wirkt sonderbar, wenn er den Richter spielt über die Vestalin Cornelia.«
»Und abermals«, sagte sanft Domitian, »muß ich Ihnen raten, teure Lucia, sich so wohlfeiles Gefasel meiner Senatoren nicht zu eigen zu machen. Niemand weiß besser als Sie, daß ein Unterschied ist zwischen Domitian, dem Privatmann, der sich eine seiner seltenen leeren Stunden mit Vergnügen anfüllt, und dem Herrn und Gott Domitian, dem Zensor, von den Göttern eingesetzt zum Richter über Sitte, Wandel und Tradition des Reichs. Nicht ich verfolge Cornelia, ich liebe sie weder, noch hasse ich sie, sie ist mir vollkommen gleichgültig. Die Staatsreligion verfolgt sie, das Imperium, Rom, dessen reine Flamme sie zu hüten hat. Sie müssen das begreifen, meine Lucia, und ich weiß, Sie begreifen es. Es sind nun einmal Unterschiede festgesetzt vom Schicksal und von den Göttern. Nicht alles, was ein glattes Gesicht und einen Schoß hat, ist gleich. Eine Frau, die römisches Bürgerrecht hat, eine mater familias, und gar eine Vestalin, ist etwas anderes als die übrigen Weiber der Welt. Diese übrigen Weiber mögen tun und lassen, was sie wollen, mögen herumhuren wie Fliegen in der Sonne, mögen sich bespringen lassen, wann und von wem sie belieben. Sie existieren nur vom Gürtel an abwärts. Eine römische Bürgerin aber und gar eine Vestalin existiert nur vom Gürtel an aufwärts. Man verwische nicht die Unterschiede, man vertausche nicht die Maße, man fälsche nicht die Gewichte. Der Privatmann Domitian mag meinethalb gemessen werden mit dem Maß, mit dem man einen kappadokischen Lastträger mißt, aber ich verwahre mich dagegen, ich verbiete es, daß man den Zeitvertreib meiner leeren Stunden zusam menwirft mit den Geschäften des Gottes Domitian.« Nun waren sie gleichwohl in den Seitengang eingetaucht. »Ich danke Ihnen«, erwiderte Lucia, »für Ihre lichtvollen Belehrungen. Mich wundert nur eines: daß Sie nämlich nicht auch den römischen Bürgerinnen zugestehen, was Sie sich selber zugestehen. Warum darf nicht auch eine römische Bürgerin unterscheiden zwischen dem Zeitvertreib ihrer leeren Stunden und den Geschäften, die sie als römische Bürgerin verrichtet? Warum darf nicht auch sie sich spalten, wie Sie es tun, und bald die römische Bürgerin sein, existierend nur vom Gürtel an aufwärts, und bald das Weibchen wie die übrigen?«
Darauf ging Domitian nicht ein. »Begreif mich doch, meine Lucia!« bat er. »Es ist wirklich das Pflichtbewußtsein des Fürsten, des Erzpriesters, und nichts sonst, was diese Cornelia verurteilt. Ich will dieser Gesellschaft, diesem Adel, der verkommen ist durch eine Reihe schlechter Herrscher, den Sinn wieder öffnen für die Strenge, die Einfachheit und das Pflichtgefühl der Altvordern. Ich will dieses Volk zurückführen zur Religion, zur Familie, zu den Tugenden, welche die Gegenwart sichern und die Zukunft gewährleisten. Mit größerm Recht als von der Epoche jenes Augustus soll man vom Zeitalter des Domitian sagen können: ›Nicht schändet Unzucht das reine Haus. Austrieb Sitte und Recht das Laster, die Geilheit. Ehre gebührt den Frauen; denn gleich sehn sich Gatte und Kind. Und nicht hinter der Schuld, neben ihr her geht die Strafe.‹« Etwas pathetisch mit seiner scharfen, hohen Stimme deklamierte er die edlen Verse des Horaz.
Da aber hielt sich Lucia nicht länger, ihr dunkles, klingendes Lachen schlug sie auf. »Verzeih«, antwortete sie, »ich glaube dir, daß du es ehrlich meinst. Aber die Verse klingen zu komisch im Munde des Mannes, welcher Julias Liebster war und der Mann der Lucia ist.« Und da sich Domitian tief rötete, fuhr sie fort: »Ich will dich nicht kränken, ich bin, beim Herkules, nicht hergekommen, um dich zu kränken. Aber glaubst du
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