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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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erklärte er, daß das Kollegium der Fünfzehn nicht durch schärfere Haft und Bewachung den Selbstmord des Crispin verhindert habe. Erschreckt ob einer so kühnen Sprache sahen die Senatoren auf den Kaiser. Der saß da, hochroten Gesichtes, wild an der Oberlippe saugend; er war ergrimmt über diese frechen Senatoren und über sich selber, er hatte den Crispin schonen und ihm den Selbstmord ermöglichen wollen, hatte aber wie manchmal in derlei Fällen, um sich vor sich selber zu decken, halbe Weisungen gegeben. Helvid kam zu seinem Schluß. Es sei, fand er, nach diesem seltsamen Tod des Crispin Pflicht des Senats, die Sache der Vestalin Cornelia zurückzuverweisen an das Kollegium der Fünfzehn, auf daß es sie nochmals überprüfe.
      Nach ihm nahm Priscus das Wort, und nach der bitteren und empörten Rede des Helvid wirkte die Sachlichkeit des großen Juristen doppelt überzeugend. Es lägen, führte er mit seiner hellen, schneidend klaren Stimme aus, Präzedenzfälle nicht vor. Dem Senat sei der Fall unterbreitet worden als Prozeßsache gegen den Hofmarschall Crispin und Genossen. Es gehe nicht an, nun auf einmal die Sache der Vestalin Cornelia von der Hauptsache abzutrennen. Dazu bedürfe es einer neuen Untersuchung und einer neuen Weisung des Priestergerichts. Im übrigen müsse er gestehen, daß er, bei aller Ehrfurcht vor dem Spruch des Priestergerichts, nur mit schweren Bedenken in diese Sitzung gegangen sei. Ihm, als einem Manne, der mit tiefster Ehrfurcht das Walten der Gottheit beobachte und Sinn und Zusammenhang sehe in allen Geschehnissen, habe von Anfang an ein schwerer Zweifel keine Ruhe gelassen. Wenn wirklich eine der Vestalinnen solche Schuld auf sich geladen und dadurch den Zorn der Götter auf Senat und Volk und auf das Haupt des Kaisers herabgerufen hätte, wie dann, führte er mit tückischer Logik aus, hätte der Herr und Gott Domitian die glorreichen Siege des sarmatischen Feldzugs erringen können?
      Dies war, in unangreifbare Sachlichkeit gekleidet, die kaltbösartigste Verhöhnung des Kaisers, die sich denken ließ, jedermann in Rom verstand sie und hatte seine Freude daran, und den Priscus selber erfüllte tiefe Befriedigung, als er mit seiner schneidenden, trompetenden Stimme diesen Satz in die Versammlung und die Welt hineinrief. Domitian nahm ihn auf, Domitian verstand ihn ganz, Domitians Herz setzte einen Augenblick aus, aber Priscus selber sollte seine süße Rache bitter zu bezahlen haben; denn von jetzt an stand es dem Kaiser fest, daß er, und sehr bald, diesen Priscus dem Sabin und dem Aelius und den andern nachschicken werde, die es gewagt hatten, ihn zu verhöhnen.
      Messalin meldete sich und machte sich daran, den Priscus zu widerlegen und den empörten Senat in seine Schranken zurückzuweisen. Müsse er die erlauchte Versammlung, die mit solcher Eifersucht ihre Rechte wahre, daran erinnern, daß sie im Begriff sei, einen gefährlichen Präzedenzfall zu schaffen, indem sie eingreifen wolle in die Befugnisse einer ebenso erlauchten autonomen Körperschaft? Die Verfassung gebe dem Senat nicht das Recht, die Gründe zu untersuchen, welche die Herren Priester zu ihrem Spruche hätten veranlassen können. Den Senat gingen diese Gründe nichts an. Spitzfindige, formal-juristische Bedenken, wie sie der ehrenwerte Senator Priscus vorgebracht habe, hätten vielleicht Gewicht vor profanen Richtern, sie seien aber wesenlos und windig vor dem Kollegium der Fünfzehn, das seinen Spruch fälle im Auftrag der Götter und von ihnen geleitet. Habe das Fünfzehnerkollegium einmal befunden, so stehe sein Spruch für die Ewigkeit, es gebe keine Appellation, und an ihnen, den Senatoren, sei es lediglich, auf Grund dieses Befundes das Urteil zu fällen.
      Höchst widerstrebend machte sich der Senat an die verhaßte Aufgabe. Eine ganze Reihe von Anträgen wurde gestellt, alle dahin zielend, den Senat von der Verantwortung zu befreien. Die Fassung des Urteils, die schließlich angenommen wurde, schob denn auch geschickt die Verantwortung auf den Kaiser zurück. Das Urteil bestimmte, es sei die Vestalin Cornelia so zu bestrafen wie seinerzeit die Schwestern Oculatae. Diese aber waren zwar verurteilt worden, den vom Gesetz vorgeschriebenen Tod zu erleiden, den Tod also in der ummauerten Grube, gleichzeitig indes waren sie der Milde des Kaisers empfohlen worden, und tatsächlich hatte ihnen ja auch Domitian die Art des Sterbens freigestellt. Der Senat also hatte es durch seinen zweideutigen

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