Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
wirklich, du kannst es durch Verwaltungsmaßnahmen erreichen, daß mehr Tugend in Rom sei? Dieses Rom, wie es nun einmal ist, diese unsere Zeit, wie sie nun einmal geworden ist, die wirkliche Epoche des Domitian, glaubst du, du kannst sie zurückdrehen und zu der Epoche machen, die du haben willst? Da müßtest du ganz Rom einreißen und drei Viertel seiner Institutionen verbieten. Willst du die Huren abschaffen? Willst du die Theater verbieten, die Komödien von den gehörnten Ehegatten? Willst du aus den Fresken der Häuser die Liebesabenteuer der Götter herauskratzen lassen? Glaubst du, du erreichst wirklich etwas, wenn du Cornelia begräbst? Ich weiß nicht, was du ihr nachweisen kannst; aber das weiß ich, meine Kusine Cornelia, was immer sie getan haben mag, hat im kleinen Finger mehr Keuschheit als du und ich zusammen. Wenn Cornelia vorübergeht, dann spürt das Volk, was Keuschheit ist. Wenn es dich sieht und wenn du noch so scharfe Gesetze erläßt, dann, fürchte ich, spürt es das nicht.«
»Ich glaube nicht, daß du recht hast«, erwiderte er und bemühte sich, seinen Zorn zu unterdrücken und seine Stimme gehalten zu machen. »Aber sei dem, wie ihm wolle, ich will deine Senatoren lehren, daß ihnen ihr Adel nicht nur Privilegien gibt, sondern auch Pflichten auflegt. Gut, ich leiste mir dies oder jenes Vergnügen; aber jemand, der mir so nahesteht wie du, muß doch auch sehen, daß sich der Kaiser Domitian tausend Lüste versagt, die ihm das Blut hitzen, und dafür tausend Lasten auf sich nimmt. Glaubst du vielleicht, es war ein Spaß, in den sarmatischen Feldzug zu gehn? Dich fröstelt schon hier unter der Sonne Roms; du hättest dort bei den Sarmaten sein müssen, um zu erleben, was Frost ist. Und du hättest diese Barbaren sehen müssen, mit denen wir zu tun hatten. Wenn man die Leichen dieser Burschen auf den Schlachtfeldern sah, wenn man sich die Gefangenen anschaute, die eingebracht wurden, dann überlief es einem bei dem Gedanken, welche Gefahr man überstanden hatte. Man mußte ein festes Herz haben, um sie lebendig anrennen zu sehen, diese ungeschlachten Halbmenschen, zu Zehntausenden, mit ihren verfluchten Pfeilen. Meine Liebe, glaubst du, ich wäre nicht lieber mit dir im Bett gelegen, als auf unsicherm, rutschendem Pferd über die vereisten Schlachtfelder der Sarmaten zu traben? Und wenn ich das von mir verlange, dann verlange ich einiges auch von meinen Senatoren.« Er blieb stehen; unter den zierlich verschnittenen Bäumen stand er, groß anzusehen, und hielt eine Rede. »Die Herren machen sich’s bequem. Ihr Dienst am Staat besteht darin, daß sie die Provinzen untereinander auslosen und sie reihum ausräubern. Aber so einfach werden sie’s bei mir nicht mehr lange haben. Wer dem Ersten Adel angehört, der hat seine Kraft nicht zu vergeuden in Liebesabenteuern oder in weibischen Träumen und Betrachtungen über den Aberglauben der Minäer oder dergleichen, der hat seine Kraft aufzusparen für den Staat. Ein Mensch kann nur eines: dem Staat dienen oder den eigenen Lüsten frönen. Nur ein Gott wie ich kann beides vereinen. Eine Gesellschaft, die sich gehen und treiben läßt wie der Adel Roms, hat schließlich keine Beamten und keine Soldaten mehr, sondern nur Lüstlinge. Das Reich verdirbt, wenn sein Adel weiter so verkommt.«
Lucias kühnes, helles Antlitz zeigte jenen spöttischen Ausdruck, gegen den er nicht ankam. »Und darum also läßt du Cornelia umbringen?« fragte sie. »Auch darum«, antwortete er, aber es klang nicht streitbar. Mit sanfter Gewalt führte er sie fort aus dem hellen Teil des Gartens zu einer Grotte, zog sie hinein in den Schatten, fort aus dem lichten Vorfrühlingstag. »Ich will dir etwas sagen, Lucia«, vertraute er ihr an, fast flüsternd. »Diese östlichen Götter, dieser Jahve und der Gott der Minäer, hassen mich. Sie sind gefährlich, und wenn ich mich nicht beizeiten vorsehe, dann kriegen sie mich unter. Wenn ich gegen sie aufkommen will, dann brauche ich den ganzen Beistand unserer Götter. Ich darf mir Vesta nicht zur Feindin machen. Ich darf kein Verbrechen an ihr ungesühnt lassen. Wenn ich heuer die Säkularspiele feiern will, dann soll es in einem reinen Rom geschehen. Und ich werde den Weg weitergehen, den ich beschritten habe. Die Herren vom Senat, deren Meinungen du so gern wiedergibst, haben in meinen ersten Jahren gesagt, ich sei ein strenger Kaiser. Seitdem ich die Verschwörung des Saturnin ahndete, haben sie gesagt, ich sei
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