Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Kegeln und Pyramiden, dünn und starr reckten sich Zypressen, allerlei Blumen und Pflanzen bildeten Namenszüge, Figuren, selbst kleine Gemälde. Die Wege waren sorgfältig gekiest, die Teile des großen Ziergartens, die nicht bepflanzt waren, waren gepflastert. Brunnen und Wasserwerke sprudelten, Ruheplätze jeder Art gab es, Rundbänke, künstliche Grotten, Lauben, aus Stein gebildete Baumstümpfe, künstliche Ruinen, auch ein Labyrinth. Teiche waren da mit Schwänen und Reihern, auf weißschimmernden Freitreppen spreizten sich Pfauen. Wandelhallen, mit Fresken geschmückt, schnitten einzelne Teile des Gartens heraus. Terrassen und Freitreppen verbanden da und dort Partien des riesigen, auf hügligem Terrain angelegten Parkes, Holz- und Steinbrücken schwangen sich über Bäche, das Ganze senkte sich zum Ufer des Sees. Alles war zierlich, niedlich, steif, gravitätisch, künstlich, prunkvoll.
Wenn sich Domitian in diesem Ziergarten erging, dann hob ihn der Gedanke, daß man Lebendiges auf solche Art ändern konnte, es in Zucht bringen, in bestimmte Normen. Da es seinem Topiarius Felix gelang, solche Wunder und Metamorphosen zu erwirken an lebendig blühendem Gewächs, wie sollte es ihm, dem römischen Kaiser, nicht glücken, Menschen nach seinem Willen zu bilden, sie, ein zweiter Prometheus, nach seinen Wünschen und Erkenntnissen zu formen?
In solchen Betrachtungen wandelte der Kaiser durch seine Gärten in Alba. Mit ihm war der Zwerg, in einiger Entfernung folgte der Obergärtner, wieder etwas weiter zurück waren die Träger mit der Sänfte, falls der Kaiser ermüden sollte. Viele Stunden erging er sich so. Mit Genugtuung betrachtete er die Lauben, die Grotten, diese ganze kleingehackte, zerkünstelte Natur. Gelegentlich auch betastete er die Kletterpflanzen, den Efeu, die Winden, die Kletterrosen, die den Weg wachsen mußten, den der Wille des Menschen ihnen vorschrieb. Dann wieder rief er den Obergärtner, ließ sich das oder jenes erklären und wärmte sich das Herz an der Beschreibung, wie man auch hohe, starke Bäume zwingen konnte, die Gestalt anzunehmen, die ordnender Sinn ihnen diktierte.
Am liebsten aber hielt er sich in den Treibhäusern auf. Alles dort gefiel ihm, die künstliche Reife, die künstliche Wärme, das listige Glas, mittels dessen man die Sonne einfing. Mit nachdenklicher Befriedigung erlebte er, daß man also Bäume und Sträucher zwingen konnte, Früchte im Winter zu tragen, die
im Sommer zu reifen bestimmt waren. Das war ein Gleichnis, das ihm behagte.
In einem Treibhaus auch, auf einem Ruhebett, das er sich hatte hinstellen lassen, lag er dösend, brütend, als Lucia zu ihm kam.
Des Kaisers Beziehungen zu ihr waren wieder gefährlicher geworden, ja sie waren neuerdings so voll von Untiefen, daß Lucia nicht erstaunt gewesen wäre, wenn Wäuchlein plötzlich zu einem zweiten, tödlichen Schlag gegen sie ausgeholt hätte.
Begonnen hatte diese Veränderung, als er den Prinzen Sabin hatte hinrichten lassen. Domitian hatte, da er sich vor Julia in Schuld fühlte, den Sabin lange geschont, obgleich Norban im Lauf der Jahre gegen den Prinzen Material genug zusammengetragen hatte, um eine Verurteilung durch den Senat zu rechtfertigen. Erst nachdem die Beteiligung des Sabin an dem Putsche des Saturnin einwandfrei erwiesen war – ein Schreiben des unbesonnenen, hochmütigen Prinzen, in dem er das Angebot des Generals annahm, ihn an Stelle Domitians zum Kaiser zu machen, war den Leuten des Norban in die Hände gefallen –, hatte Domitian zugeschlagen. Und damals hatte Lucia einen schweren Fehler gemacht. Da sie dem Sabin soviel Dummheit nicht zugetraut und angenommen hatte, es handle sich um einen Willkürakt Domitians, hatte sie ihm vorgeworfen, er habe den Vetter lediglich aus Eifersucht auf Julia beseitigen lassen. Damit aber hatte sie ihm offenbar unrecht getan, und er war ihr gegenüber lange im Vorteil gewesen.
Ernsthaft gefährlich indes waren ihre Beziehungen zu Domitian erst seit Julias unseligem Ende. Gekommen war dies so: Julia war nach dem Tode des Sabin von neuem schwanger geworden, zu einem Zeitpunkt, der einen Zweifel an der Vaterschaft des Domitian ausschloß. Domitian beabsichtigte, das Kind zu adoptieren, und wünschte deshalb, daß es nicht als Bastard zur Welt komme. Er schlug Julia eine neue Heirat vor. Julia, die in ihrer ersten Ehe unter der Eifersucht Domitians genügend zu leiden gehabt hatte, lehnte ab. Domitian wollte ihr den Mann
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