Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
geben lassen. Dennoch und gerade durch seine Sachlichkeit wurde das Buch zu einer einzigen, Ungeheuern Anklage gegen Domitian, und als solche auch wurde es gelesen und verstanden.
Waren derartige Angriffe die Wagnisse einzelner, so ging bald darauf der Senat in seiner Gesamtheit zum offenen Kampf gegen den Kaiser über. Dies geschah anläßlich des Falles des Gouverneurs Ligarius.
Diesem Ligarius, einem seiner Günstlinge, hatte Domitian die Verwaltung der Provinz Spanien übertragen, und der Mann hatte sein Amt dazu benutzt, das Land rücksichtslos auszuplündern. Nun waren Vertreter der Provinz nach Rom gekommen, um beim Senat gegen ihren unehrlichen Gouverneur Klage zu führen. Früher, bevor das Ansehen Domitians durch die Hinrichtung der Cornelia erschüttert war, hätte der Senat einen solchen Prozeß gegen einen Günstling des Kaisers kaum zugelassen. Jetzt, da er seine Macht täglich wachsen fühlte, zwang er nicht nur dem Kaiser die Zustimmung zu diesem Prozeß ab, sondern rückte auch die Angelegenheit ins hellste Licht.
Zum Sachwalter der Provinz Spanien bestellte der Senat den Helvid. Der entfaltete seine ganze wilde Beredsamkeit, der Senat folgte ihm und nahm fast jeden seiner Beweisanträge an. Bis in die kleinsten Einzelheiten wurden die Erpressungen erörtert, die Ligarius, Freund und Günstling des Kaisers, an der unglücklichen Provinz Spanien verübt hatte. Voll heimlichen Triumphes hörte der Senat, wie Ligarius sich mußte überführen und mit den wüstesten Schmähungen überhäufen lassen. Als die Beweisaufnahme geschlossen wurde, war es so gut wie gewiß, daß der Senat in seiner nächsten Sitzung, die zwei Wochen später stattfinden sollte, den Günstling des Kaisers nicht nur zum Ersatz der geraubten Gelder und Güter verurteilen würde, sondern darüber hinaus zur Konfiskation seines Vermögens und zur Verbannung.
Dies war ein Schlag gegen Domitian, wie ihn noch vor wenigen Monaten niemand für denkbar gehalten hatte. Jetzt waren zwar im Staatsarchiv die Gesetzestafeln hinterlegt, die« ihm mehr Befugnisse zusprachen, als sie jemals ein Mann in seiner Hand vereinigt hatte seit Bestehen der Stadt, aber Domitian wußte, er durfte es nicht wagen, von diesen Befug nissen Gebrauch zu machen. Im Gegenteil, seit mehr als zwei Menschenaltern hatte der Senat nicht mehr gewagt, dem Herrscher so viel Trotz entgegenzustellen, wie es jetzt dieser sein Senat tat.
Im Treibhaus in Alba lag er, ausgestreckt auf dem Ruhebett, das er sich dort hatte aufstellen lassen. Er überdachte, was geschehen war und wie das hatte geschehen können. Hat er sich überhoben? Hat Lucia recht gehabt? Sie hat nicht. Er muß nur die Kraft finden, sich zu zähmen, nicht zu früh zuzuschlagen, nicht zur Unzeit zuzuschlagen, er muß die Kraft aufbringen, zu warten. Und das kann er. Er hat sich im Warten geübt. Es ist ein weiter Weg gewesen von seiner bittern, armseligen Jugend bis heute.
Viel kann man erreichen mit Geduld. Viele Gewächse kann man zwingen, den Weg zu wachsen, den man ihnen vorschreibt. Was sich nicht fügen will, schneidet man weg, tilgt man aus. Im Augenblick muß er sich bescheiden, aber der Tag wird kommen, da er austilgen kann. Er weiß sich in Übereinstimmung mit der Gottheit. Lucia wird nicht auf die Dauer recht behalten.
Woran lag es, daß man in Rom nicht einsehen wollte, daß er gar nicht anders konnte als die Cornelia verurteilen? Er war sich bewußt, daß die Schuld manches Mannes, den er hatte verurteilen lassen, nicht über jedem Zweifel feststand. Aber diese Cornelia war doch schuldig: warum wollte man gerade an ihre Schuld nicht glauben? Es mußte möglich sein, die erwiesene Schuld der Cornelia auch den blöden Augen seiner ungläubigen Untertanen deutlich zu machen.
Er berief den Norban. Hatte der nicht eine gewisse Melitta erwähnt, eine Freigelassene der Vestalin, die Bescheid wußte um die Vorgänge beim Feste der Guten Göttin? Wo war sie, diese Melitta? Was für ein unfähiger Mensch war sein Polizeiminister, daß er diese Melitta hatte entwischen lassen, daß er sie nicht zu seiner Verfügung gehalten hatte. Der Kaiser beschimpfte den Norban mit wüsten, gemeinen Worten, dann wieder schmeichelte er ihm und beschwor ihn, die verschwundene Melitta beizubringen, daß man sie foltern und Geständnisse aus ihr herausholen könne.
Norban blieb vor den Beschwörungen des Kaisers so gleichmütig wie vor seinen Beschimpfungen. Vierschrötig stand er da,
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