Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Spruch geschickt vermieden, selber Cornelia zu der grausamen Strafe zu verurteilen, er hatte die Verantwortung über die Art ihres Todes auf den Kaiser zurückgewälzt.
Ängstlich über die eigene Kühnheit schauten die Senatoren auf Domitian. Wie es das Gesetz vorschrieb, fragte der amtierende Konsul den Kaiser, ob er in seiner Eigenschaft als höchster Richter und Erzpriester das Urteil billige und seine Vollziehung anordne. Alle schauten gespannt auf den großen, dunkelgeröteten Kopf des Kaisers. Norban, hinter ihm sitzend, ein wenig tiefer, wandte das Gesicht zu ihm hinauf, um seine Antwort entgegenzunehmen; doch er brauchte sie dem Senat nicht erst zu verkünden. Alle sahen, daß der schwere, dunkelrote Kopf ja nickte, noch bevor Norban ihn befragt hatte.
So verkündete denn der Konsul das Urteil, die Krone billigte es, die Schreiber schrieben es, der Henker rüstete sich.
Bisher war der Kaiser bei den Massen beliebt gewesen. Auch die blutige Strenge, mit der er den Staatsstreich des Saturnin bestraft, hatte Verständnis gefunden. Die Exekution an Cornelia fand kein Verständnis. Die Römer murrten. Norban versuchte einzugreifen. Die Römer ließen sich den Mund nicht verbieten, sie schimpften und murrten immer lauter.
Man erzählte sich rührende Züge von der Hinrichtung der Cornelia. Als sie die Stufen in ihr Grab hinuntersteigen sollte, sei ihr Kleid hängengeblieben. Einer aus dem Exekutivkommando habe ihr helfen wollen, es zu lösen; sie aber habe seine Hand mit solchem Abscheu zurückgewiesen, daß jedermann habe erkennen müssen, wie ihre reine Natur zurückscheute vor jeder Berührung eines Mannes. So tief prägte sich dieser Bericht in das Herz aller, daß zwei Wochen später, als bei einer Aufführung der »Hekuba« des Euripides die Verse gesprochen wurden: »Sie blieb bemüht, höchst würdevoll zu sterben«, das Publikum in langen, demonstrativen Beifall ausbrach. Übrigens hieß es, Freunde – man sprach von Lucia selber – hätten der Cornelia ein Fläschchen Giftes zugesteckt, und ihre stille, reine Würde habe auch auf die Wächter gewirkt, daß sie nicht gewagt hätten, es ihr zu nehmen. Zu alledem kam, daß Crispin vor seinem Tod an verschiedene Freunde Briefe gerichtet hatte des Inhalts, er sterbe schuldlos. Abschriften dieser Briefe zirkulierten im ganzen Reich. Kein Mensch mehr glaubte an eine Schuld der Cornelia, der Kaiser galt als sinnlos wütender Tyrann.
Von Tag zu Tag mehr schien es, daß Lucia recht und daß der Kaiser das Urteil gegen Cornelia mit seiner Popularität zu bezahlen hatte. Bisher waren die Massen den oppositionellen Senatoren kalt, beinahe feindselig gegenübergestanden. Jetzt begrüßte das Volk die Damen Fannia und Gratilla, wo immer sie erschienen, mit Sympathie. Ein Stück wurde aufgeführt, »Paris und Önone«, das voll war von Anspielungen auf die Beziehungen des Kaisers zu Lucia und zu Julia, und fand ungeheuern Erfolg. Auf der Straße sprachen Wildfremde den Senator Priscus an, er möge doch die Rede, die er im Senat für Cornelia gehalten, veröffentlichen.
So weit zwar wagte sich Priscus nicht vor. Wohl aber machte er sich jetzt daran, das Versprechen einzulösen, das er damals der alten Fannia gegeben hatte, seinen Grimm nicht länger einzusperren und sein »Leben des Paetus« zu verbreiten. Er überreichte das vollendete Werk der Fannia, für die er es geschrieben, und ließ es zu, daß sie das kleine Buch weitergab. Bald zirkulierten Abschriften im ganzen Reich.
Dargestellt aber war in diesem Buch in schöner Klarheit das Leben des Republikaners Paetus. Wie dieser in altrömischer Strenge aufgewachsene Mann, als die Tyrannei des Nero immer unerträglicher wurde, sich, um seine Gesinnung zu bekunden, der Teilnahme an den Sitzungen des Senats enthielt. Wie er zwar schwieg, schwieg, schwieg, wie indes sein ganzes Wesen seinen tiefen Unmut über den Lauf der öffentlichen Angelegenheiten bekundete. Wie ihn schließlich Nero anklagen und verurteilen ließ. Wie er sich gleichmütig, ja fröhlich darüber, daß er in diesem heruntergekommenen Rom nicht länger leben müsse, die Adern öffnete und stoischen Mutes starb. Siebenundzwanzig Jahre war das nun her. Kein leisestes Wort sagte Priscus in seiner Biographie gegen den Kaiser Domitian, er beschränkte sich vielmehr mit vorbildlicher Sachlichkeit auf eine exakte Darstellung des Lebens seines Helden, die Daten verwertend, die er sich von Fannia, der Tochter des Paetus, hatte
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