Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
der mächtige Kopf ruhte auf den eckigen Schultern, grotesk fiel die schwarze Locke in die niedrige Stirn, die Augen, bräunliche Augen eines treuen, doch vielleicht nicht bis ins Letzte gezähmten Hundes, schauten auf den Kaiser, spähend, dienstwillig und ein klein wenig überlegen. »Der Herr und Gott Domitian weiß«, sagte er, »daß er sich auf seinen Norban verlassen kann. Die Frevlerin Cornelia liegt, um einer wohlbewiesenen Schuld willen zur Vergessenheit bestimmt, unter dem Weidengeflecht. Ich werde Ihnen die Mittel geben, mein Herr und Gott, auch den dummen Pöbel von dieser Schuld zu überzeugen.«
Bald darauf wurde dem Decian, der sehr zurückgezogen auf seinem Landgut bei Bajae lebte, ein unerwarteter Besuch gemeldet, der Senator Messalin. Unbehaglich fragte sich Decian, was wohl der unheimliche Mensch von ihm wolle, doch in seinem Innern wußte er’s, sowie der Diener den Namen Messalin nannte. Der Mann wollte Melitta.
Bald denn auch brachte der Blinde die Rede auf die Vestalin Cornelia. »Welch ein Jammer«, klagte Decian, »daß diese Frau hat hinuntermüssen!« Es war unvorsichtig, daß er so sprach, aber er mußte es, es drängte ihn, sein Leid um Cornelia zu bekennen.
»Wäre es nicht ein noch größerer Jammer«, fragte Messalin, »wenn sie umsonst gestorben sein sollte?« Da war man also bei dem Gegenstand, um dessentwillen der Mann offenbar gekommen war. Decian beschloß, unter keinen Umständen die tote Cornelia zu verraten; doch schon während er dieses Gelöbnis tat, war in ihm die innere Gewißheit, daß er’s nicht halten werde.
Es habe, führte unterdessen Messalin aus, DDD viel Überwindung gekostet, den harten Spruch vollziehen zu lassen. Nun aber bemühten sich gewisse sture Republikaner, den Kaiser um den Erfolg seiner schwer errungenen Härte und Cornelia um den Sinn ihres Todes zu bestehlen. Sie verbreiteten, Cornelia sei schuldlos gestorben, und gefährdeten so Ziel und Zweck des beispielhaft strengen Urteils, die Förderung der Sitte und der Religion. Mit Trauer müsse jeder wahre Freund des Reichs dieses ebenso törichte wie gottlose Treiben mitansehen.
Decian wußte, es ging um sein eigenes Leben. Trotzdem vergaß er für einen Augenblick seine Angst und betrachtete den Blinden mit Neugier und Grauen. Mit so sanfter, schmeichlerischer, teuflischer Logik also verstanden diese Leute ihr Verbrechen ins Gegenteil zu drehen. Vielleicht taten sie es sogar vor sich selber; zumindest jener Mann, in dessen Namen dieser Messalin kam, glaubte das, was da vorgebracht wurde, sei die reine Wahrheit. »Es ging nun einmal«, antwortete er tapfer, »von Cornelia jenes Strahlen aus, mit dem die Götter nur ganz wenige begnaden, und darum«, schloß er mit höflicher Zweideutigkeit, »wird es schwer sein, ihren Tod sinnvoll erscheinen zu lassen.«
»Es gibt einen Mann«, erwiderte Messalin, »der dem Herrn und Gott Domitian bei diesem Unternehmen helfen könnte. Dieser Mann sind Sie, mein Decian.« Mit einer leichten Handbewegung, als sähe er die gespielte Entrüstung und Verwunderung auf dem Gesicht des andern, schnitt er ihm die überflüssige Entgegnung ab und fuhr fort: »Wir wissen, wo sich die Freigelassene Melitta befindet. Nur weil wir den Skandal um den Fall der Cornelia nicht noch vermehren wollen, vermeiden wir es, uns ihrer durch Gewalt zu bemächtigen. Es wäre vernünftig, mein Decian, wenn Sie uns diese Melitta herausgäben. Sie würden sich viel Leid, der Melitta mancherlei sehr Qualvolles und uns den Skandal ersparen. Mir scheint, das wäre auch im Sinne unserer toten Cornelia.«
Decian war sehr blaß geworden, und es war ihm eine Genugtuung, daß der Blinde wenigstens diese Blässe nicht wahrnehmen konnte. »Ich verstehe nicht, was Sie wollen«, erwiderte er gehalten.
Messalin winkte mit einer kleinen, höflichen Handbewegung ab. »Sie sind kein eisenstirniger Narr wie gewisse Ihrer Freunde«, stellte er ihm vor. »DDD schätzt Sie als einen Mann von Klugheit und von Welt. Wir verstehen es, daß Sie Cornelia haben schützen wollen. Aber was versprechen Sie sich davon, wenn Sie weiter Widerstand leisten? Glauben Sie, Sie können DDD eine Ehrenerklärung für die tote Cornelia abzwingen? Bewähren Sie Ihre oft bewährte Klugheit! Geben Sie Melitta heraus, reden Sie ihr Vernunft zu, und Sie werden ziemlich viel gewonnen haben. Ich will Ihnen nichts vormachen. Eine Anklage gegen Sie wegen Beihilfe zur Verschleierung des Verbrechens der Cornelia
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